Salz und Asche - Roman
sie Jan ins Wort. »So leicht schafft Ihr uns nicht aus dem Weg. Wir sind nicht die Einzigen, die über Eure Machenschaften Bescheid wissen. Man wird uns Glauben schenken, selbst wenn Ihr uns verleumdet und ebenso gewissenlos und ungerecht ins Unglück treibt wie den armen Albert. Und das alles nur, um Eure eigenen Pfründe zu retten. Was seid Ihr für elende Menschen! Und nun …«
Weiter kam sie nicht, denn zum einen sprangen die Hunde knurrend auf, zum anderen wurde Rieger vom Knauf seines eigenen Gehstocks am Kopf getroffen. Lautlos sackte er zusammen. Jan gelang es, dem Messer auszuweichen und sich von dem Fallenden zu befreien.
Susanne ergriff Kowatz’ Arm, doch mehr musste sie nicht tun. »Orfus, Hern!«, befahl er, und die Doggen ließen davon ab, den Neuankömmling anzugreifen. Sie seufzte tief. »Till!«
Jan war bereits dabei, den ohnmächtigen Rieger ganz in den Raum zu ziehen. Erst jetzt sah Susanne, dass Rieger ihn mit dem Messer am Rücken verletzt hatte. Sein Hemd hatte einen Riss und einen großen Blutfleck.
Ihr Bruder stand im Türrahmen und starrte erschüttert auf den Mann, den er so beherzt niedergeschlagen hatte. Seine Wangen waren hochrot, und seine Augen glänzten. Riegers Stock hielt er fest in der Hand.
»Susanne, komm!« Jan hielt ihr die Hand hin. Im Gegensatz zu Till war er inzwischen bleich geworden.
Der Anblick von Jans ausgestreckter Hand weckte Till aus seiner Erstarrung. »Mach, dass du wegkommst«, fuhr er Jan an.
»Geht raus, bevor ich ihn loslasse«, sagte Susanne.
Jan kehrte bei der Tür um und kam zu ihr zurück. »Lass mich das machen.«
Sie nickte und überließ ihm Kowatz, der das Geschehen erstaunlich ruhig beobachtet hatte. »Wenn er bloß meine Arme in Ruhe lässt«, sagte er nun.
»Wenn Ihr bloß die Hunde zurückhaltet«, sagte Susanne, während sie einen Bogen um die Doggen schlug. Sie nahm Jans Wams an sich und ging zur Tür.
Till fasste sie beim Arm und wollte sie gleich die Treppe hinabführen, doch sie sträubte sich und hob auch noch Jans Messer auf, das Riegers Hand entglitten war.
Jan kam ihnen nach, zog die Tür hinter sich zu und ließ sich von ihr seine Sachen geben.
Erneut zerrte Till an ihrem Arm, wütend diesmal. »Herrgott, Suse!«
Wieder befreite sie sich. »Ich kann selbst laufen.«
Zu dritt polterten sie die Stiege hinunter und aus der Hintertür auf den Hof. Jan schloss auch diese hinter sich.
»Hast du unsere kleine Katze gesehen?«, fragte Susanne Till.
Till warf ihr einen verachtungsvollen Blick zu. »Um die hättest du dir auch früher Sorgen machen sollen. Nun
musst du es nicht mehr.« Er zeigte in den Winkel neben dem alten Kaninchenstall, wo sie ein lebloses graues Fellhäufchen entdeckte.
Susanne war nicht fähig, Kummer zu fühlen. Sie hob die tote Katze auf und rannte dann mit Till und Jan, bis sie die Gasse erreicht hatten. Sie wollte noch etwas zu Jan sagen, sich verabschieden, und auch er zögerte, doch bevor einer von ihnen den Mund aufmachen konnte, stieß Till Jan grob vor die Brust. »Scher dich weg!«
Susanne hatte die Stimme ihres Bruders noch nie so hasserfüllt gehört. Fassunglos wandte sie sich ihm zu, doch Jan beschwichtigte sie mit einer Geste. »Geh mit deinem Bruder.«
»Aber …«
Till zog sie energisch mit sich und schritt weit aus. Sie war zu erschöpft, um sich weiter zu sträuben. Als sie sich noch einmal umsah, hatte Jan sein Wams übergezogen. Er blickte flüchtig nach oben, zu den vernagelten Fenstern, hinter denen sie die Männer und die Hunde zurückgelassen hatten. Dann lief er los, so leichtfüßig, als wäre er nicht zerschunden und verletzt.
Bis zur Straßenecke schwieg Till, dann fuhr er sie giftig an. »Höre ich vielleicht noch einen Dank?«
Susanne fühlte sich noch immer entrückt, während sie mit ihm dahineilte, die Straße entlang und vorbei an Mutter Künemanns Utlucht. »Du hast Rieger mit seinem eigenen Stock niedergeschlagen. Meinst du, er ist tot?«
»Nein. Er hat noch geatmet. Was zum Teufel war da los? Ich kann mir denken, was du mit Niehus getrieben hast. Aber warum waren diese Kerle da?«
Susanne betrachtete die tote Katze in ihrer Hand, die unverletzt erschien und noch immer niedlich und warm
war. Sie hätte weinen sollen, doch sie fühlte sich innerlich erstarrt. Warum waren diese Kerle da? , hallte es in ihren Gedanken nach. Sie blieb stehen. »Till, du bekommst einen vielfachen Dank von mir, wenn du noch etwas für mich tust. Geh mit mir zu Herrn von Waldfels. Ich
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