Salzburger Totentanz
telefonieren. Ich dachte, ich verbringe heuer Silvester wieder auf dem Arlberg. Soll ich ihr irgendwas von dir ausrichten?«
Bosch schloss für einen Moment die Augen. Natürlich würde seine Mutter ihn umgehend anrufen und fragen, wieso er einem Stammgast ihres Hotels gegenüber so ungefällig war. Sein Blick fiel auf die offene Flügeltür, die zum großen Ausstellungssaal hinüberführte, in dem sich inzwischen noch mehr Menschen versammelt hatten. Im Türrahmen stand ein schlanker, elegant gekleideter Mann und sah zu ihnen herüber. In der Hand hielt er eine zusammengerollte Zeitung, mit der er leicht gegen seinen Oberschenkel schlug, als warte er auf jemanden.
»Ich überleg’s mir«, murmelte Bosch und rückte seine Brille zurecht, wobei er geflissentlich übersah, wie Katharina ihren Mund in die Breite zog. »Da hinten steht Morelli. Er beobachtet uns schon eine ganze Weile.«
Katharina nickte, als wüsste sie das bereits. »Den genauen Termin erfährst du noch rechtzeitig.«
Fabian Morelli löste sich aus dem Türrahmen und kam mit raschen Schritten auf sie zu. »›Der Hase‹«, sagte er.
Bosch schaute in das ausdruckslose Gesicht des ehemaligen Partners und nunmehrigen Inhabers der Galerie Tappeiner. Das Abendrot spiegelte sich in den Gläsern seiner feinen Goldrandbrille, sodass seine Augen nicht zu erkennen waren.
»Wie bitte?«
»›Der Hase‹«, wiederholte Morelli. »›A hare‹ nennt Barry Flanagan sein Kunstwerk. Küss die Hand, Frau Morstein. Guten Abend, lieber Doktor Bosch. Gefällt Ihnen die Skulptur?«
»Das soll ein … Hase sein?«, fragte Katharina und musterte die Statue.
Auch Bosch ließ seinen Blick noch einmal den schlanken Bronzeleib hinaufwandern. Sollten diese breiten Teufelshörner wirklich Hasenohren darstellen?
Der Galerist lächelte. »Kunst entsteht eben immer erst im Auge des Betrachters«, sagte er. »Und wer weiß? Vielleicht wollte Flanagan auch etwas ganz anderes darstellen als einen Hasen. Und das sagt doch einiges über den Künstler aus, finden Sie nicht?«
»Oder über den Geist des Ortes«, meinte Bosch.
»Oder auch über den Betrachter«, sagte Katharina.
Bosch fühlte sich auf einmal unbehaglich zwischen diesem Teufelshasen und dem glattzüngigen Galeristen. »Tja, ich fürchte, lieber Morelli«, sagte er rasch und versuchte seinen Unmut zu überspielen, »Sie haben jetzt sicher nicht die Zeit, meine Meinung über Flanagan zu hören. Ihre Vernissage ist ja mehr als gut besucht.«
Morellis Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. »Da haben Sie recht. Man hält uns zum Glück die Treue. Auch nach dem tragischen Tod des armen Matteo.« Die vom Abendlicht immer noch rot glühenden Brillengläser waren starr auf Bosch gerichtet. »Schön übrigens, auch Sie nach so langer Zeit wieder einmal bei uns zu sehen.«
Bei Boschs letztem Besuch in der Galerie hatte ein halber Meter Schnee gelegen. Und damals war er sicher gewesen, die Räume der Villa nie wieder zu betreten. »Ich bin heute Abend statt Professor Salchenegger hier.«
»Ach ja, natürlich. Auch ein herber Verlust für die Kunstwelt. Auf Sie habe ich übrigens schon gewartet, Frau Morstein.« Er machte eine steife Bewegung hin zu Katharina.
»Wirklich? Wie nett von Ihnen«, sagte sie und schenkte Morelli ein charmantes Lächeln. Bosch ließ den Blick zwischen Katharina und dem Galeristen hin und her wandern. Irgendetwas ging zwischen den beiden vor, von dem er nichts wusste.
Da schlug Morelli abrupt die Zeitung auf. »Ja, ich habe Ihren Artikel gelesen.«
Katharina schien genau zu wissen, welcher Artikel gemeint war.
»Sie gestatten doch, dass ich zitiere? Doktor Bosch?« Morelli wartete ihre Antwort nicht ab. »Tödliche Kunst, von Katharina Morstein« , las er vor. »Na ja, gut. Die lobenden und tröstlichen Worte über den Verstorbenen übergehe ich mit Ihrer Erlaubnis. Aber dann! Kunsthandel – das Geschäft im Haifischbecken … Was soll denn das heißen? Hohe Gewinne macht nur, wer es schafft, den Markt zu steuern … Mysteriöser Tod eines Galeristen und eines angesehenen Kunsthistorikers …« Morellis Stimme zitterte. »Wissen Sie eigentlich, was so ein, ein … Geschmiere anrichten kann? Wir sind eine seriöse Galerie. Ich will auf keinen Fall, dass unsere hochkarätige Klientel, die wir durch die erfolgreiche Arbeit vieler Jahre an unser Haus binden konnten, in irgendeiner Weise verunsichert wird. Dieser Artikel ist geschäftsschädigend. Und ich bin sicher, Frau Morstein,
Weitere Kostenlose Bücher