Salzburger Totentanz
Ihr Chefredakteur sieht das genauso.« Morelli rollte die Zeitung zusammen und richtete sie wie ein Schwert auf Katharina, die aber keine Miene verzog.
»Mein Chefredakteur«, gab sie zurück, »sieht in erster Linie die gute Arbeit seiner Mitarbeiter und die Leserzahlen. Und Sie hatten ja leider keine Zeit für mich. Bestimmt wären Ihre Informationen für meinen Artikel von großem Interesse gewesen. Also, mein lieber Morelli, lassen Sie uns lieber zum Tagesgeschäft kommen. Was kann ich heute Abend für Sie tun?« Sie streckte die Hand aus und schob sanft die Zeitungsrolle von sich weg. »Wer ist alles hier, wer muss erwähnt werden, und welche Zukunftspläne haben Sie überhaupt mit Ihrem Malerfürsten?«
Beim letzten Wort zuckte Bosch unmerklich zusammen. So weit war es also gekommen, dass man Franz schon als Malerfürsten bezeichnete.
Morelli sah Katharina an. Dann räusperte er sich. »Also gut«, sagte er. »Aber da Sie Franz Schwarzenberger erwähnen: Gerade Künstler dieser Klasse legen Wert auf die Reputation ihrer Galerie. Ich hoffe nur, dass er sich von Ihrem Artikel nicht beeindrucken lässt.«
Fast hätte sich Bosch zu einer bösen Bemerkung hinreißen lassen. Franz war von jedem Artikel begeistert, solange sein Name darin richtig geschrieben war. Gerade wollte er etwas in dieser Richtung sagen, da fuhr Katharina schon fort: »Dann würde ich vorschlagen, dass wir uns seine neuen Werke gleich einmal ansehen. In der Einladung habe ich gelesen, dass der Maestro heute coram publico malt?«
»Äh, ja«, sagte Morelli. »Das Werk wird anschließend zu einem guten Zweck versteigert. Es war seine eigene Idee. Franz Schwarzenberger ist ein sehr warmherziger und großzügiger Mensch. Leider selten bei so großen Künstlern.«
Mit diesen Worten empfahl sich Morelli. Bosch zwang sich zu einem Nicken und folgte dann Katharina, die mit entschlossenen Schritten auf die Flügeltür zuging. Doch kaum im großen Ausstellungsraum, wurden sie auch schon getrennt.
Während Bosch ziellos durch die Menge geschoben wurde, erhaschte er hin und wieder einen Blick auf die für Schwarzenberger typischen großformatigen Bilder, deren grelle Farben im warmen Licht von Messingstrahlern leuchteten. Gerade als er eine Kellnerin mit einem Tablett Getränke auf sich zusteuern sah, kam wieder Bewegung in die Menge, und Bosch wurde vorwärtsgetrieben. Schließlich fand er sich vor einem Podium wieder, um das sich bereits ein dichter Kreis von Neugierigen gebildet hatte.
Speziell für diesen Abend hatte man dort ein Atelier aufgebaut. Oder zumindest einen Raum, der den Vorstellungen der Besucher vom Arbeitsplatz eines Künstlers entsprechen mochte. Bosch konnte sich nicht vorstellen, dass man in diesem sorgfältig arrangierten Chaos malen konnte. Und er wusste, dass auch der Künstler, Franz Johann Schwarzenberger, das nicht tat. Schon als Student hatte Franz sein Material in Ordnung gehalten, um möglichst schnell und effektiv seine Bilder produzieren zu können.
Im Zentrum der Bühne stand eine abgehängte Staffelei und daneben ein altersgrauer Holztisch, auf dem Farbtuben scheinbar ungeordnet herumlagen. Firnis, eine Gliederpuppe und ein Einmachglas mit gebrauchten Pinseln waren gefällig für das Auge des Publikums arrangiert und sollten wohl den Eindruck von Boheme vermitteln.
Auf einmal wurde in der ersten Reihe Platz gemacht, und Franz trat, auffallend gekleidet in schwarzer Hose und rotem Seidenhemd, aus der Menge hervor und sprang mit einem Satz elegant auf die Bühne.
Von dort oben winkte er lächelnd seinem Publikum zu. Frenetischer Beifall brandete auf. Schwarzenberger griff nach dem weißen Tuch, das die Leinwand verdeckte, und enthüllte wie ein Zauberer mit Schwung eine Kreideskizze. Obwohl kaum etwas von einer Darstellung zu erkennen war, ging ein anerkennendes Raunen durch die Menge. Mit einer ausladenden Handbewegung brachte Schwarzenberger seine Bewunderer zur Ruhe. Dann ließ er den Blick über den vorbereiteten Arbeitstisch wandern.
Schwarzenberger war ein kräftiger Mann von etwa vierzig Jahren, von mittelgroßer Statur, ein dunkler Typ mit dichten schwarzen Locken und noch immer attraktiven Zügen. Wenn er, wie gerade eben, zur Seite sah, um mit gerunzelter Stirn einen Pinsel auszuwählen, erinnerte sein Profil mit der geraden Nase und dem vorspringenden Kinn an Porträts auf antiken römischen Münzen. Bosch aber konnte feststellen, dass seine Wangen während des letzten Jahres voll geworden waren und
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