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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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sich unter dem energischen Mund erste Ansätze eines Doppelkinns abzeichneten. Franz hatte sich immer einiges auf sein gutes Aussehen eingebildet. Bosch bemerkte daher diese ersten Zeichen des Alters mit einer gewissen Schadenfreude.
    Endlich hatte Schwarzenberger den passenden Pinsel gefunden. Er holte mit dem rechten Arm aus und schwang ihn durch die Luft. Dann wandte er sich der Leinwand zu und begann, mit großzügigen Pinselschwüngen am unteren Bildrand petrolgrüne Farbe aufzutragen. Eine junge Frau mit toupiertem Blondhaar direkt vor Bosch flüsterte ihrem Nachbarn etwas zu.
    »Blödmann, Blödmann!«
    Die spitze Mädchenstimme galt dem weiß gekleideten Jungen, der hinter der kleinen Elfe durch die Zuschauerreihen rannte. Schwarzenberger hielt inne. Den Pinsel, den er gerade in rote Farbe getaucht hatte, in die Luft gereckt, drehte er sich lächelnd um.
    »Nanu«, sagte er. »Wer bist denn du, Goldlöckchen?«
    Die Kleine drehte dem Jungen den Rücken zu, schaute zur Bühne hinauf und musterte den Künstler. Die blonde Frau in der ersten Reihe, die in ihrer Abendtasche gekramt hatte, hob erschrocken den Kopf.
    »Hast du denn auch einen Namen?«, erkundigte sich Schwarzenberger.
    Jemand zupfte Bosch am Ärmel.
    »Was geht denn da vor?«, flüsterte Katharina, die es irgendwie geschafft hatte, sich nach vorne zu drängen.
    »Irgendein Idiot hat seine Kinder mitgebracht«, zischte Bosch. »Mir ist das kleine Biest vorhin schon über den Weg gelaufen.«
    »Ich heiße Cosima«, erklärte das Kind.
    »Cosima? So ein hübscher Name«, meinte Schwarzenberger. »Der passt ja genau für so ein hübsches Mädchen, was?«
    Die kleine Cosima hob die Brauen und lächelte.
    »Na? Willst du nicht zu mir heraufkommen?«
    Sofort fasste die Blondine in der ersten Reihe die Kleine um die Taille und hob sie auf das Podium, wo das Mädchen eine Art Pirouette drehte und auf ihr Publikum herabblickte. Die Blondine zog hektisch einen Fotoapparat aus ihrer Abendtasche. Franz Schwarzenberger hatte die Mutter der kleinen Cosima jetzt auch bemerkt. Er richtete seinen Pinsel prüfend gegen das Gesicht des Kindes. Dann erstarrte er, damit der historische Moment für das Familienalbum festgehalten werden konnte. Die Mutter knipste, und die Menge applaudierte.
    »Der Maler und das Mädchen«, murmelte jemand.
    Schwarzenberger beendete die Fotosession, indem er der Kleinen zum Abschied einen roten Klecks auf die Nase tupfte.
    »Arschloch«, quietschte Cosima und sprang vom Podium.
    Schwarzenberger lachte und schaute ihr nach. »He, Prinzessin, ich muss dich doch noch signieren!«
    Gelächter setzte ein, und Schwarzenberger grinste. Unter halb geschlossenen Lidern ließ er den Blick über die Menge schweifen. Bei Bosch angekommen, zuckten seine Augen. Bosch rührte sich nicht. Mit ihm hatte Franz natürlich nicht gerechnet.
    »Hieronimo«, rief Schwarzenberger und hielt die Hand mit dem Pinsel in seine Richtung. »Alter Freund, wie geht’s dir denn?«
    Die Leute drehten sich zu Bosch und musterten ihn neugierig. Bosch schaute konzentriert zur Bühne. Niemand außer Franz hatte ihn je »Hieronimo« genannt. Er wusste selbst, dass seine Bilder an die mittelalterlichen Schöpfungen von Hieronymus Bosch erinnerten. Aber sein Werk war etwas Eigenständiges. Lauter als beabsichtigt sagte er: »Bestens, Franz, danke. Und dir?«
    Überrascht sah Katharina ihn an. »Kennt ihr euch?«, flüsterte sie nicht leise genug.
    »Aber natürlich«, antwortete Franz an Boschs Stelle. »Wir sind alte Kollegen, stimmt’s, Hieronimo? Bist du noch auf der Uni?«
    »An der Uni, ja. Hast du etwas anderes erwartet?«
    Franz schüttelte lächelnd den Kopf. Dann nahm er einen zweiten Pinsel vom Arbeitstisch, stupfte ihn auf eine vorbereitete Palette und ging zu seiner Staffelei hinüber. Er malte eine mit Kreide markierte Fläche sorgfältig mit gelber Farbe aus und setzte daneben eine korallenrote Linie, die sich mit den petrolgrünen Pinselstrichen am unteren Bildrand traf. Bosch kniff die Augen zusammen. Widerstrebend musste er zugeben, dass die leuchtenden Ölfarben sich nach und nach zu einem kraftvollen, lebendigen Ganzen verbanden. Das Bild strahlte schon jetzt eine gewisse schöpferische Stärke und Energie aus.
    »Ich male … auch noch«, sagte er da und erschrak über seine eigenen Worte.
    Franz drehte sich zu ihm um. »Ja? Was denn?« Sein Mund zog sich in die Breite, was ihm das Aussehen eines zähnefletschenden Gorillas gab. »Immer noch deine

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