Salzburger Totentanz
kräftigen Unterarmen hochgekrempelt hatte. »Ja, Frau Morstein, begrüße Sie! Nur hereinspaziert.« Seine dunklen Locken klebten an der schweißnassen Stirn.
Das Klavierspiel brach ab. Applaus setzte ein und verebbte, dann begann das nächste Stück mit ein paar donnernden Akkorden. Ein kurzer Aussetzer verriet, dass der Tonträger beschädigt war.
»Guten Abend, Maestro. Ich hoffe, ich bin nicht zu spät«, sagte sie.
Franz Schwarzenberger schüttelte energisch den Kopf und schob sich ein Stück Weißbrot in den Mund. Er bedeutete ihr, ihm in die Küche zu folgen.
Die geräumige Küche des Bauernhauses war hell erleuchtet und unerträglich heiß. Eine Suppe köchelte vor sich hin und wärmte die Küche noch zusätzlich mit ihrem heißen Dampf.
Schwarzenberger stellte sich neben den Herd, riss ein Stück von einem weißen Wecken ab, der neben dem Topf lag, und tauchte ihn in die Suppe.
»Wollen Sie auch mal?«, fragte er mit vollem Mund. »Hühnersuppe mit Kokosmilch und Zitronengras.«
»Herzlichen Dank – lieber nicht.« Katharina konnte nicht mehr sagen, wie oft ihr Magen in dieser Festspielsaison schon gnadenlos mit derlei kulinarischen Experimenten traktiert worden war.
»Ich hab auch noch Kreativeres.«
Auf allen Ablageflächen standen Platten mit diversen Vorspeisen, Mokkatassen, gefüllt mit einem grün-roten Gemisch, und chinesische Löffel mit bunt dekorierten Happen. Große Schüsseln waren mit Folie abgedeckt. In einer Art geflochtenem Wäschekorb stapelten sich helle und dunkle Brotlaibe.
»Was Kreativeres?«, fragte Katharina. Sie war zu einem Exklusivinterview gekommen und nicht zum Abendessen.
»Ja, wie wär’s denn mit einem belegten Brot, einem Stück Käse … einem Seidl Bier?« Schwarzenberger lachte, angelte sich ein blau kariertes Küchentuch und wischte sich damit Mund und Hände ab. Das virtuose Klavierspiel steigerte sich über ein rasches Crescendo zum Forte . Er zeigte auf die dekorierten Platten.
»Der Bankettdienst hat schon das ganze Futter hier abgeladen, das Servicepersonal kommt erst noch zum Servieren.« Er zuckte die Achseln. »Aber wer nicht will, der hat schon.«
Katharina hatte noch den Dunst des Krankenzimmers in der Nase. Der süßliche Geruch des gekochten Huhns in der Kokosmilch ließ sie fast würgen.
Das Klavierspiel steigerte sich wieder zum Fortissimo , und die dampfend brodelnde Suppe schien es ihm gleichtun zu wollen. Katharina hatte das Gefühl, als bekäme sie gleich Kopfweh. Ihre Schläfen pochten.
»Hören Sie, Maestro, können wir unser Interview nicht woanders machen?«
Schwarzenberger zog den Suppentopf vom Feuer. Das brodelnde Geräusch verstummte, und auch der Applaus, der die letzten donnernden Schlussakkorde der Klaviermusik belohnt hatte, verklang. Es war nur noch das Prasseln des Regens gegen die kleinen Kastenfenster zu hören. Er öffnete eine polierte Stahltür und nahm zwei Flaschen Bier aus dem dahinter verborgenen Kühlschrank. Beim Öffnen der Verschlüsse an der Kante des Küchentischs, fügte er dem alten Holz zwei weitere Narben hinzu. Die Metallkapseln sprangen ab und blieben unbeachtet auf dem Boden liegen. Katharina hatte das Gefühl, als legte sich ein eisernes Band um ihren Kopf.
Er reichte Katharina eine Flasche. »Wenigstens ein Bier?«
Katharina nahm die Flasche. Im Job trank sie niemals Alkohol, aber sie hatte gelernt, dass es ihren Gesprächspartnern ohnehin genügte, wenn sie ihnen das Gefühl vermittelte, nicht allein zu trinken. Sie fühlten sich dann nicht so beobachtet.
»Wie läuft’s denn so mit Ihrer Arbeit?«, fragte Schwarzenberger. »Noch kein Ende der Festspiele in Sicht, was? Und dann? Macht jemand wie Sie eigentlich auch mal Urlaub?«
»Sicher.« Sie nippte an ihrem Bier. Es war kalt, und sie merkte, wie durstig sie war. Und hungrig.
»Auf einer einsamen Insel, was?«
Katharina lachte. »Fast. Wenn die Festspiele rum sind, verzieh ich mich auf die Malediven.«
»Na, das ist doch was.« Schwarzenberger lehnte sich an den Tisch mit den chinesischen Löffeln, die unter der Frischhaltefolie leise klapperten.
»Und Sie verreisen ja auch, wie man hört.« Katharina hob ihm zum Wohl die Flasche entgegen.
»Ein Geheimtipp.« Er grinste. »Nowosibirsk.«
»Da schau her.« Ihr Handy gab einen leisen Ton von sich. Das war heute schon das zweite Mal, dass sie bei einem Gespräch von ihrem Telefon unterbrochen wurde. Schnell zog sie das Ding aus der Tasche. Das Display leuchtete schwach, dann fiel es ganz
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