Salzburger Totentanz
aus. Anscheinend war nicht der Akku leer, sondern das Handy defekt.
»Immer im Dienst, was?« Schwarzenberger nahm einen Schluck und sah sie über die Flasche hinweg an.
»Das Handy jedenfalls nicht«, meinte Katharina und steckte den Apparat wieder ein. »Das Ding scheint kaputt zu sein. Sicher mein Fotograf.«
Schwarzenberger hob die Brauen. »Übrigens, weil wir grade über die Arbeit reden … was ist das eigentlich für eine seltsame Geschichte mit Wüsthofen?« Er drehte sich zu den chinesischen Löffeln um und zog die Frischhaltefolie beiseite. Dann wählte er ein Stück weißlichgrauen rohen Fisch und steckte es in den Mund.
»Wo dran?«
»Na ja, so genau hab ich das auch nicht verstanden.« Schwarzenberger schluckte den Fisch hinunter. »Irgendwas mit einer falschen Skulptur. Der gute Hieronimo war ganz aus dem Häuschen.«
»Wer?«, wollte Katharina wissen.
»Na, der Hans. Ihr Freund Bosch.« Vor ihm auf dem Boden lagen die Kronenkorken vom Bier, und Schwarzenberger kickte einen durch die Küche. »Was geht das eigentlich Hieronimo an?«, fuhr er fort. »Ich dachte, der ist ganz Diener der Wissenschaft?«
»Ehrlich gesagt, weiß ich das auch nicht so recht«, meinte Katharina. Bosch hatte sich zu Anfang ihrer Recherchen auch ziemlich widerstrebend gezeigt. »Eigentlich betrifft es ja seinen Chef.«
Schwarzenberger stutzte. »Was? Salchenegger?«
Katharina nickte. »Hans hat ihn sehr bewundert. Das muss ein ziemlicher Schock für ihn sein.«
Schwarzenberger rührte sich nicht. »Das glaube ich nicht.«
»Nicht?« Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier. »Wie lange kennen Sie sich eigentlich schon?«
»Hieronimo? Mein Gott, eine Ewigkeit.« Schwarzenberger lachte. »Wir haben zusammen an der Kunstakademie studiert. Begabter Maler, der Bursch. Aber wissen Sie, keine Inspiration. Keine Magie in seinen Bildern.« Er schüttelte den Kopf. »Hieronimo halt, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Nicht wirklich«, entgegnete Katharina. Diese kleinliche Art kannte sie sonst nur von Schauspielern. Der Schwächere wurde weggebissen. Aber anscheinend gehörte Neid zum künstlerischen Überlebenskampf. Es machte den Umgang mit diesen Leuten unendlich mühsam.
»Na, dann schauen Sie sich seine Bilder doch mal an«, sagte Schwarzenberger und tat so, als hielte er einen Pinsel zwischen den Fingerspitzen. Er machte in der Luft Auf- und Abbewegungen, als streiche er eine Wand. »Denen fehlt doch jede Authentizität! Alles abgekupfert. Da ist nichts Eigenes, nichts Originales.«
»Nichts Originales?«, fragte Katharina.
»Genau«, sagte Schwarzenberger. »Wissen doch alle. Und ich mache jede Wette, sein geliebter Professor wusste das am Allerbesten.«
»Der immerhin mit falschen Gutachten Geld verdient hat«, sagte Katharina.
»Wie bitte?« Schwarzenberger brüllte fast, dämpfte seinen Ton aber gleich wieder. »Ich meine, wer behauptet denn so was?«
»Ich weiß es auch erst seit heute Nachmittag. Es gibt Beweise.«
»Geh«, er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, »Blödsinn.«
Katharina zog die Zeichnung der gotischen Madonna aus ihrer Handtasche. »Genau gesagt, geht um diese Figur hier. Sie stammt aus einem Souvenirgeschäft in Oberammergau und ziert jetzt als ein Prunkstück Heinrich Wüsthofens Sammlung.«
Sie reichte ihm das Blatt. Auf der Platte mit den belegten Broten lagen auch Sandwiches mit magerem Beinschinken. Seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr gegessen. Katharina nahm sich eins.
»Ich kann die Story direkt spüren«, sagte sie mit vollem Mund, während Schwarzenberger noch immer die Zeichnung betrachtete. Der Schinken war wie Marzipan. Sie musste sich den Namen des Bankettservice geben lassen.
»Diese Skizze ist von Hieronimo, oder?«, fragte er schließlich. Katharina wollte sich gerade erkundigen, woher er das wusste, da fuhr er schon fort: »Der Stil ist unverkennbar. Interessant.«
Sie nahm eine Papierserviette und wischte sich die Hände ab. »Interessant, sagen Sie? Ja, vielleicht haben Sie recht.«
»Mit Sicherheit habe ich recht.« Schwarzenberger warf die Zeichnung nachlässig zwischen die Vorspeisenplatten auf den Küchentisch. Kurz schwebte das Blatt über dem bunten Allerlei, dann senkte es sich elegant auf ein Brett mit Sushi, dessen Frischhaltefolie zur Hälfte abgedeckt war. Ein Fettfleck fraß sich durch die reine Madonnenstirn und zeichnete sie mit einem hässlichen Mal.
»Es hat aufgehört zu regnen«, sagte Schwarzenberger mit einem Blick zum Fenster. »Und wir
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