Salzburger Totentanz
Kribbeln in Boschs Magengegend wurde zu einem handfesten Rumoren. Er schloss die Lider. Katharina hatte sich bei ihm darüber beschwert, dass Franz sie mit einem Interview hinhielt. Warum hatte es ausgerechnet heute Abend geklappt? Franz war einfach unberechenbar. Bosch sah das Hinterhofatelier wieder vor sich, das sie damals gemeinsam gemietet hatten. Franz war zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten dort aufgetaucht. Aber der Gedanke beruhigte ihn nicht. Dies war nicht die Laune eines Künstlers. Der falsche Valentin stand dunkel und drohend vor ihm. Er selbst hatte Franz bei ihrem letzten Treffen von Katharinas Ermittlungen erzählt. Ohne es zu wollen, hatte er sie damit verraten und ihn gewarnt. Warum hatte er ihr bloß nichts von diesem Gespräch erzählt?
»Hallo? Sind Sie noch dran?«, fragte Festenberg am anderen Ende.
»Wann ist Katharina denn losgefahren?« Er hörte selbst, wie brüchig seine Stimme klang. »Und wie ist überhaupt ihre Handynummer?«
Festenberg gab sie ihm durch, und er kritzelte die Zahlen auf das Titelblatt der »Kunsthistorischen Blätter«. Kaum hatte er das Gespräch beendet, nahm er den Hörer gleich wieder ab. Er tippte Katharinas Nummer ein. Während er ungeduldig darauf wartete, dass sie sich meldete, verdichtete sich sein Gefühl, einen furchtbaren Fehler begangen zu haben, zur Gewissheit. Wenn Katharina von dem Abend bei Franz gewusst hätte, wäre sie nie allein auf den Gaisberg gefahren. Exklusivinterview, ausgerechnet. Fragte sich nur, wer hier wen interviewen sollte. Katharinas Handy sprang an, und die Bandansage teilte ihm mit, dass der gewünschte Teilnehmer derzeit nicht erreichbar sei.
»Verdammt«, stieß Bosch zwischen den Zähnen hervor.
In einem der oberen Stockwerke knallte ein Fenster zu.
»Frau Happel!« Er stürzte zur Tür.
SIEBZEHN
Katharinas grüner MG schob sich im Schritttempo am Kopf der Nonntaler Brücke vorbei. Die Salzach schien sich in den letzten Stunden auf ihren Ursprung als Gebirgsfluss besonnen zu haben. In hellen Strudeln umtanzte sie die Brückenpfeiler. Die schmutzig gelben Wolken, die sich über dem Untersberg aufgebaut hatten, verdichteten sich zu einem grauen Himmel, und Regentropfen fielen, zuerst vereinzelt, dann dichter und schwerer, und trommelten jetzt auf das Dach und die Windschutzscheibe des kleinen Autos. Langsam glitten die Kastanienbäume des Volksgartens an Katharinas Wagenfenster vorüber. Ihre Stämme glänzten schwarz vor Nässe, und die braun gezackten Blätter flatterten im Wind, der während des drückend heißen Nachmittags stetig zugenommen hatte. Endlich hatte sie die verstopfte Bürglsteinstraße hinter sich gelassen. Zehn Minuten später beschleunigte Katharina den Sportwagen auf der steil ansteigenden Straße, die sich in engen Kurven den Gaisberg hinaufwand.
Franz Schwarzenbergers Bauernhaus lag hinter einem Regenvorhang verborgen. Nur schemenhaft war die klobige Silhouette zu erkennen. Katharina parkte ihren Wagen so dicht an der Hausmauer wie möglich. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, aber trotz der Innenbeleuchtung war es zu dunkel, um das kleine Zifferblatt zu erkennen. Und die Zeitanzeige auf dem Armaturenbrett war falsch eingestellt und zeigte auf halb zwölf. Wenn sie so nachlässig arbeiten würde wie ihre Autowerkstatt, hätte sie keinen Job mehr. Wütend öffnete Katharina die Autotür. In diesem Moment erhob sich der Sturm mit voller Wucht und heulte lang gezogen in den Wipfeln der Bäume. Sie senkte den Kopf und rannte auf das Haus zu.
Die Eingangstür war zum Glück nicht verschlossen. Sie betrat eine Art Halle, ein Kreuzgewölbe, in dem niemand war. Jemand hatte die kleinen Fenster gegen Sturm und Regen geschlossen. Die dicken Mauern hatten die Hitze des Tages gespeichert, und die Dunstschwaden, die aus der offenen Küchentür quollen, hatten keine Möglichkeit abzuziehen. Aus einer angelehnten Tür ertönte Klavierspiel.
Zögernd ging Katharina in Richtung der Musik und zupfte sich dabei die feuchten Haare zurecht. Ihre Absätze hallten auf dem roten Marmorboden. An der Wand hing ein Hirschgeweih, auf seinen Spitzen eine Sammlung verbeulter Hüte. Darunter lehnte ein ganzes Bündel Spazierstöcke. Neben dem rauchgeschwärzten Kamin war ein Tisch, auf dem ein Bierfass und offene Kartons mit Biergläsern standen. Aus der Küche kam Geklapper. Dann erschien der Hausherr in der Tür. Katharina erschrak.
Er trug ein weites schwarzes Seidenhemd, dessen Ärmel er nachlässig über den
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