Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Männer mit ihren Laternen waren plötzlich hinter ihm.
Es war eine Chance. Die Frage war, sollte er sie ergreifen? Er wäre weitaus sicherer, wenn er wartete, bis die Männer vorbei waren, bis sie getan hatten, was sie vorhatten. Einen Feyon zu fangen. Die bezaubernde Corrisande wahrscheinlich.
Im Schein ihrer Laternen sah er, daß sie bewaffnet waren und die eine oder andere Gerätschaft mit sich trugen. Sie hatten Ketten und Stricke dabei, alles, was man brauchte, um eine feingliedrige junge Frau zu fangen, die nicht mal einen von ihnen hätte bezwingen können. Er erinnerte sich an ihre großen, himmelblauen Augen. Sie hatte immer so jung und unschuldig ausgesehen. Asko war vollständig darauf hereingefallen.
Udolf war an unschuldigen kleinen Mädchen nicht interessiert. Er mochte Frauen, die willig und geübt waren. Als sich herausstellte, daß das zarte Jungmädchengebaren nur ein Trick war, um eine junge Frau mit Feyonblut und einer zweideutigen Vergangenheit zu tarnen, war er erstaunt gewesen, aber nicht erschüttert. Nicht wie Asko.
Es wäre wirklich weiser gewesen abzuwarten, bis die Jäger an ihm vorbei waren. Er mußte nach Ischl. Das hatte Vorrang. Alles andere ging ihn nichts an. Corrisande war nicht sein Problem, nicht ihr Leben und auch nicht ihr Tod. Sie hätte in Ischl bleiben sollen, da wäre sie sicher gewesen.
Er zog sich aus dem Wasser, kroch dabei auf dem Bauch. Wenn es ihm gelang, unentdeckt bis ins Gebüsch zu kommen, konnte er vielleicht die Boote vor den Jägern erreichen und den Toplitzsee überqueren. Groß war die Chance nicht. Er würde um einiges schneller sein müssen als die Jägergruppe, die so dicht hinter ihm war.
Er hörte wieder Stimmen.
„Ich sage Ihnen, da war etwas im See. Es sah aus wie ein Kopf.“
„Sehen Sie jetzt schon Wassermänner? Reicht es nicht, daß der Meister sie überall sieht, und das, wo er blind ist?“
„Aber ich bin ziemlich sicher. Wir sollten das überprüfen …“
„Wenn Sie gerne schwimmen gehen möchten, bitte. Ich bleibe trocken.“
„Er hätte uns sicher gesagt, wenn ein Feyon im Kammersee wäre“, meinte nun eine neue Stimme. „Ich denke, Sie sollten aufhören, auf den See zu starren und weitergehen. Wenigstens heute Nacht würde ich gerne ein bißchen Schlaf bekommen.“
„Wenn wir einen Sí beim Ladner ausfindig machen, werden wir kaum zum Schlafen kommen.“
„Wenn wir einen Sí beim Ladner ausfindig machen, gebe ich einen aus, und ich wette außerdem einen Kreuzer, daß ich am Ende dieser Nacht keinen Kreuzer ärmer bin.“
„Hören Sie“, sagte der Mann, der ihn im Dunkel gesehen haben mußte. „Wenn wir einen Sí direkt vor unserem Eingang fangen, müssen wir eventuell nicht bis zum Ladner. Ich sage Ihnen, ich habe etwas gesehen. Eine gräßliche Fratze, schwarzweiß, mit einem riesigen Maul. Wir sollten …“
„Wir sollten endlich weitergehen.“
„Sie wollen wirklich in den See tauchen und eine Kreatur mit einem riesigen Maul jagen?“
„Von wollen kann keine Rede sein. Aber im Gegensatz zu Ihnen liegt mir dieses Projekt am Herzen. Dafür bin ich bereit, so manches auf mich zu nehmen. Wir haben schließlich Befehl von …“
„Unsere derzeitigen Befehle sagen, wir sollen zum Ladner, um dort nach einem Feyon zu suchen. Eine klare Anordnung. Da gibt‘s nichts dran zu drehen.“
Der Streit zog sich hin, und Udolf nutzte die Zeit, weiter hoch in den Schatten der Bäume zu kriechen. Er grinste. Das war ein Geschenk, ein Angebot, daß sie ihm machten. Sie stritten und gaben ihm Zeit, die Poststation vor ihnen zu erreichen. Anscheinend hatten sie keinen Anführer, oder das Gespräch hätte sich nicht auf diese Weise entwickelt. Die Inkompetenz der Gruppe zeigte eindeutig, daß die Nerven der Verschwörer blank lagen. Sie waren ihrer Aufgabe müde, es mangelte ihnen an Respekt vor ihren Vorgesetzten, und sie glaubten nicht mehr an ihren Erfolg.
Er hoffte, daß sie Recht hatten. Er zog sich an einem Baum hoch und machte sich auf den Weg, so leise es ging.
Es war nicht ganz dunkel. Im Mondlicht konnte er schemenhaft den steilen Trampelpfad ausmachen. Es war kalt, und er begann in den nassen Sachen zu schlottern. Ein Sprint würde ihn wärmen, und er versuchte, seine Beine zu schnellerer Bewegung zu zwingen. Ein Dauerlauf war aber alles, was er in seinem Zustand bergauf schaffte. Vielleicht war das gut so, denn es war zu dunkel, um sich nicht zu verletzen, wenn man im Schweinsgalopp durchs Unterholz schoß. Es
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