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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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sich sicherer fühlte, wenn sie ihre Lage ignorieren konnte. Er tat, was er konnte, um es ihr leichter zu machen – ohne Zauber anzuwenden. Sein einziger Versuch, ihren Geist in eine Art freien, fröhlichen Gemütszustand zu manipulieren, war kläglich gescheitert. Angst hatte sie ergriffen, als sie plötzlich meinte, er bereite sie mit seiner Manipulation für das vor, was er letztlich mit ihr vorhatte.
    Sie hatten sich kurz ausgeruht, doch Charly hatte nicht schlafen können. Dabei wurde sie jetzt immer müder und wußte, daß die kurzen Pausen und kleinen Schläfchen ihr nicht reichten, um Kraft zu schöpfen.
    „Ich muß ein paar Stunden schlafen. Es muß schon wieder längst Nacht sein. Wir sind schon so lang unterwegs.“
    „Es ist erst Nachmittag. Versuche, noch ein bißchen auszuhalten. Dann lasse ich dich schlafen. Möchtest du, daß ich dir ein Schlaflied singe?“
    Er klang leicht amüsiert, und beinahe hätte sie sein Angebot aus lauer Peinlichkeit abgelehnt. Dann korrigierte sie die Entscheidung.
    „Ja“, sagte sie. „Tu das. Du hast eine so schöne Stimme. Wenn ich schon nichts Angenehmes sehen kann – gar nichts, um genau zu sein –, dann möchte ich wenigstens etwas Schönes hören.“
    Sie hörten auf zu reden, als der Pfad endete und Charly vorsichtig ihre Füße auf einen steilen Anstieg setzte. Starke Arme faßten sie und zogen sie hoch, und sie wunderte sich über seine warmen Hände hier in der kalten Höhle. Sie wunderte sich auch, daß sie jetzt vor seiner Nähe weniger Angst hatte als zu Anfang, obgleich sie wußte, daß er sein einwandfreies Benehmen nicht unendlich lange würde durchhalten können. Sein Anstand und noch mehr sein Sinn für Humor hatten ihr über die schreckliche Erfahrung des Vorabends hinweggeholfen. Der Angriff war zwar noch in ihrer Erinnerung verankert, wo er auch für immer bleiben würde, doch er bestimmte nicht mehr ihr Handeln und Fühlen. Schließlich hatte sie Glück gehabt. Sie war beizeiten gerettet worden.
    All das war in einem anderen Leben geschehen, in einer anderen Wirklichkeit und einem anderen Menschen. Es schien ihr bisweilen, als gehöre ihr ganzes bisheriges Leben einer gänzlich fremden Frau. Sie quälte sich mit schmerzenden Muskeln und erschöpften Gliedmaßen durch den Berg, und ihr Sinn schwirrte vor nervöser Energie. Die Erinnerung an ihr Leben im Licht schien sich zu verändern, sich ihr zu entfremden, als hätte sie über ein solches Leben nur einen Roman gelesen. Nichts davon war mehr wahr. Die Realität war mit dem Licht verschwunden.
    Wenn sie an ihre Auseinandersetzungen mit Anna bezüglich anständigen Benehmens für junge, unverheiratete Damen dachte, schienen ihr ihre Frustration und ihr Ärger darüber unbedeutend und klein. Sie wanderte mit dem Tod durch die Finsternis – und fand, daß sie seinen Humor mochte und seinen scharfen Verstand schätzte.
    Er fing sie, als sie ausrutschte.
    „Du bist unkonzentriert. Wo sind deine Gedanken?“
    Sie rappelte sich mühsam auf, setzte sich dann im Dunkel neben ihn und rang nach Luft.
    „Meine Gedanken waren bei dir, mehr oder weniger, und ich bin neidisch. Ich habe darüber nachgedacht, wie unbedeutend mein Leben bisher war. Ich habe nichts erreicht und fast nichts gesehen. Wenn ich über mein Leben im Schlößchen über dem Altausseer See nachdenke, scheint es mir, als hätte ich alle Möglichkeiten der Welt gehabt und nicht genutzt. Jede Wahl, die ich je hatte, habe ich vertan – ohne vernünftigen Grund. Du bist so weit gereist, hast so vieles gesehen. Ich habe immer nur geträumt, was ich täte, wenn … und das ‚Wenn‘ habe ich noch nicht einmal definiert. Vielleicht bin ich nur eine Blinde beim Versuch, Farben zu definieren. Doch statt sie zu definieren, würde ich Farben gerne überhaupt erst einmal sehen. Nach all dieser Finsternis kommt es mir so vor, als könnte ich sie jetzt viel besser verstehen – wenn ich sie nur noch mal sehen könnte. Wenn du diesen Berg verläßt, wirst du der Nacht treu bleiben, denn sie gehört dir. Doch ich …“ Sie sprach nicht weiter, wußte nicht, was sie sagen wollte oder auch nur denken sollte. „Ich rede ziemlichen Unsinn, nicht wahr?“ fragte sie und grinste verschämt.
    „Deine Worte sind etwas durcheinander, aber deine Gefühle scheinen es nicht mehr zu sein. Viel besser. Als wir loszogen, war es umgekehrt.“ Er hielt inne und stellte die Frage, die sie auf keinen Fall beantworten wollte. „Hast du noch Angst vor mir?“
    Sie

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