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Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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starrte in die Dunkelheit und sagte eine Weile nichts.
    „Ich nehme an, dir steht eine wahre Antwort zu“, meinte sie schließlich. „Doch im Grunde würde ich lieber lügen.“
    „Tu‘s nicht“, bat er.
    Sie nickte. Ihn anzulügen wäre sinnlos.
    „Ich fürchte mich vor vielen Dingen. Ich fürchte die Dunkelheit, fürchte die Aussicht, nie mehr Tageslicht zu sehen. Ich habe Angst, daß du mir nicht alles gesagt hast, daß es Dinge gibt, die du mir verschweigst. Ich habe Angst, daß ich die Möglichkeiten, die ich in meinem Leben hatte, nutzlos vergeudet habe – und nun sind keine für mich übrig, nicht eine. Ich habe sogar Angst, daß ich Herrn Meyer aus meinem Traum nie mehr sehen werde – und ich würde doch so gern mit ihm sprechen. Wirklich gern. Ich weiß, daß es dumm ist, einem Traum so hinterherzuspinnen. Doch er hat sich in meinem Herzen breit gemacht, obgleich er dazu kein Recht hat.“ Sie hielt inne, atmete tief ein und fuhr fort: „Es gibt auch Dinge, vor denen ich keine Angst mehr habe. Vielleicht sollte ich dafür dankbar sein. Ich habe keine Angst mehr, mich vor dir lächerlich zu machen oder dir die Wahrheit zu sagen. Ich weiß, du wirst nichts davon gegen mich verwenden. Ich habe keine Angst, daß du mich allein in der Dunkelheit läßt.“
    Doch manchmal, hätte sie gerne hinzugefügt, aber konnte es nicht, habe ich Angst, daß du mir wehtun wirst. Das zu sagen würde zu weit gehen, und diese Gefühle in Worte zu fassen hatte sie noch nicht den Mut.
    Er zog sie hoch.
    „Gehen wir noch ein Stück“, sagte er. „Nur noch ein bißchen. Ich danke dir für deine Offenheit. Deine Ehrlichkeit ehrt mich.“
    „Wirst du im Gegenzug genauso offen und ehrlich sein?“ fragte sie und lächelte in seine Richtung.
    „Möchtest du das, Charly? Daß ich absolut offen und ehrlich zu dir bin?“
    Sie schluckte und antwortete nicht. Nein, absolute Offenheit und Ehrlichkeit war mehr, als sie ertragen konnte. So tapfer war sie nicht.
    Sie schritten voran.
    „Vielleicht nicht ganz offen, ich bin sicher, das könnte recht verunsichernd sein“, sagte sie nach einer Weile. „Aber ich wüßte doch gern, was heute geschehen ist. Warum hat der Berg gebebt? Du warst besorgt, ich konnte es fühlen. Meine Wahrnehmung wird immer besser. Nicht so gut wie deine natürlich. Schließlich bin ich nur ein blinder Maulwurf, dem der tiefere Einblick fehlt und der nur an der Oberfläche kratzt, doch etwas hat dich beunruhigt, und ich wüßte gerne, was es war.“
    „Oh“, sagte er. „Ich wünschte, ich könnte dir eine genaue Antwort geben, aber Tatsche ist, daß ich nicht genau weiß, was geschehen ist. Es fühlte sich wie ein Erdbeben an, doch es war keins. Ich kann Erdbeben schon früh nahen spüren. Es war auch kein Gebirgsschlag, obgleich das bei den Höhlen hier immer passieren kann. Es fühlte sich mehr an, als hätte jemand eine Tür geöffnet. Ich sagte dir doch, daß wir Sí auf unterschiedlichen Zeit- oder Daseinsebenen leben. Nicht alle, aber manche. Es hat sich angefühlt, als wäre jemand in diese Welt gekommen, der nicht hergehört. Das kann gut sein oder schlecht. Meist eher schlecht für Menschen. Die Grenzen zwischen den Wirklichkeiten gibt es nicht ohne Grund. Doch das sind alles nur Vermutungen“, sagte er leichthin und zog sie einen weiteren Hang hoch. „Ich könnte mich irren. Vielleicht habe ich zu lange unter Maulwürfen gelebt, um zu verstehen, was sich da zutragen hat. Vielleicht betrifft es uns auch gar nicht.“
    „Aber das glaubst du nicht.“
    „Es mag uns schon betreffen. Doch du mußt immer daran denken, was ich bin. Ich bin Sí. Ich gehöre zu den na Daoine-maithe. Ich kann Dinge, die Menschen nicht können.“
    „Du bist mächtig und stark“, sagte sie und begriff, daß er ihr mit der Aussage die Angst nehmen wollte und nicht vorhatte, sie weiter zu ängstigen.
    „Es gibt mächtigere und stärkere Kreaturen als mich“, sagte er. „Heilige, Götter, Göttinnen, Dämonen, Teufel, Geister, wie immer ihr die Mächte an der Grenze eurer beschränkten Realität genannt habt. Wir sind sehr ungleich. Wir verfolgen unterschiedliche Ziele und haben unterschiedliche Absichten, was unser Verhalten Menschen gegenüber – und auch uns selbst gegenüber – angeht. Doch bei mir bist du sicher. Mach dir keine Sorgen.“
    „Aber du machst dir welche. Ich spüre es.“
    „Lieber Himmel, Charly. Wenn deine Wahrnehmungsfähigkeit so weiter wächst, wirst du demnächst den Blinden die Farben

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