Salzträume 1: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
wie ihr eine Träne aus dem geschwollenen Auge quoll und ihre Wange herunterlief.
Dann war es vorbei. Sie spürte, wie er mit seiner Zunge ihren Hals liebkoste, verstand, daß er so ihre Wunden heilte. Es tat nicht weh.
Er rollte sich von ihr fort, und sie hörte das scharfe Geräusch zerbrechenden Metalls. Es war ihm gelungen, seine Ketten zu sprengen. Sie öffnete die Augen und sah gerade noch, wie er mit kaum faßbarer Schnelligkeit die zerbrochenen Einzelstücke im Fallen fing, so daß sie nicht laut auf den Boden aufschlugen. Er bewegte sich sicher.
Blut haftete an seinen Lippen. Ihr Blut. Er leckte es ab. Sein Gesicht wies auch Blutspuren auf, sie waren getrocknet. Es war sein Blut. Sein Oberhemd war durchweicht davon, die Brust dunkel.
Doch da stand er, gesund, stark und unbesiegbar. Seine schwarzen Augen brannten vor Wut. Sie wußte, daß sie auf einem allzu schmalen Grat des Überlebens balancierte. Er war ein Raubtier, und sie hatte es freigelassen, hatte mit ihrem eigenen Lebenssaft eine Waffe geladen.
Angst lähmte sie. Sie konnte nicht vom Boden aufstehen, zitterte zu sehr.
Jetzt kniete er neben ihr nieder, und sie erwartete seinen erneuten Angriff, rechnete damit, daß sein fordernder Körper, den sie so allzu deutlich gefühlt hatte, nun, da er frei war, Besitz von ihr ergreifen würde. Doch er nahm sie nur bei der Hand und zog sie hoch.
„Keine Angst. Mein Zorn richtet sich nicht gegen Sie. Ich werde nie vergessen, was Sie heute getan haben. Ich lebe schon sehr lange, aber was Sie heute Nacht gewagt haben, war eine der selbstlosesten Taten, die ich je erlebt habe.“
Sie schwankte. Er fing sie. Er war größer als sie und hielt sie problemlos fest. Sie fühlte sich energielos und schwindlig.
„Wir müssen hier heraus. Sie werden kaum wollen, daß die Herren herausfinden, wie Sie mir geholfen haben. Ich bin noch nicht wieder stark genug, es mit ihnen allen gleichzeitig aufzunehmen. Sagen Sie mir, wie ich hier herauskomme.“
Wie im Traum sammelte sie ihre Sachen auf und wandte sich zur Tür. Mit zitternden Händen schloß sie auf und spähte nach draußen.
Der Wachtposten lag noch da, wo sie ihn niedergeschlagen hatte. Der Vampir schob sich an ihr vorbei und kniete sich neben ihn.
„Hat er Sie gesehen oder erkannt?“ erkundigte er sich, während er mit geschickten Händen ihr Werk inspizierte.
„Ich weiß nicht“, antwortete sie furchtsam. „Habe ich ihn umgebracht? Ist er tot?“
„Noch nicht“, lautete die Antwort, und seine Stimme nahm einen eigentümlichen Klang an. „Schließen Sie die Augen, Fräulein von Sandling.“
Sie tat, wie ihr geheißen, jedoch nicht ohne noch zu sehen, wie er das Handgelenk des Mannes an seine Lippen zog. Diesmal sah sie, wie seine Zähne sich in Fänge verwandelten und kniff die Augen zu. Diese Zähne waren in ihrem Fleisch gewesen. Sie wollte nicht darüber nachdenken, lehnte sich nur gegen die Wand und konzentrierte sich darauf, nicht umzukippen und ihr Abendessen nicht in der falschen Richtung von sich zu geben.
Nach einigen Augenblicken hörte sie ein fremdartiges Knacken und öffnete die Augen wieder. Graf Arpad stand gerade auf. Er war nicht mehr so blaß.
Der Mann war tot. Sein Kopf stand in einem unnatürlichen Winkel zum Hals. Sein Genick war gebrochen. Sie erinnerte sich plötzlich an seinen Namen, Franz-Ferdinand von Stauff. Die von Stauffs hatten gerade ein Mitglied ihrer illustren Familie verloren. Er sah aus, als wäre er gestürzt. Ein schrecklicher Unfall.
Ihr war übel, und sie schluckte heftig. Es hätte genauso gut sie sein können, die ihn getötet hatte. Wenn sie ein wenig fester zugeschlagen hätte, wäre er durch ihre Hand gestorben. So war es wenigstens nicht sie gewesen. Darüber sollte sie glücklich sein. Sie hatte keine Todsünde begangen. Oder doch?
„Wie komme ich aus dem Haus?“ fragte der Feyon leise. Er lächelte und sah sehr ungefährlich und charmant aus. Charly riß sich zusammen.
„Ich bin eine alte Geheimtreppe heruntergekommen. Sie führt zu meinen Räumlichkeiten. Wenn Sie klettern können, können Sie das Haus durch mein Fenster verlassen. Die Alternative wäre, dem Gang bis zur Küche zu folgen. Doch eben waren darin noch ein paar Männer.“
„Dann komme ich mit Ihnen“, sagte er.
Sie erstiegen stumm die staubige Geheimtreppe. Er sah neugierig, aber auch beunruhigt auf die aufgebrochene Tür zu ihrem Ankleidezimmer.
„Fräulein von Sandling, wenn diese Männer sehen, was Sie getan haben,
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