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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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vorherzusehen, war ihr Vater über den Anblick seiner beiden Jungs nicht gerade begeistert. Wobei ihn
Riddles rasierter Kopf weniger beunruhigte als Sams neuer modischer Schnitt. Sein Großer sah jetzt aus wie alle anderen. Nein, besser als alle anderen, wenn er ehrlich war. Und das verunsicherte sein ohnehin verstörtes Gemüt.
    Sam ignorierte die Schimpftiraden seines Vaters, so gut es ging. Doch irgendwann wurde es ihm zu viel; er griff nach seiner bereits ziemlich ramponierten Gitarre, schnappte sich Riddle und die beiden verschwanden im Wald. Als sie zurückkamen, war die Sonne schon lange untergegangen und Clarence war nicht mehr da.
    Erst am nächsten Nachmittag, als er mit Riddle unterwegs war, um nach etwas Essbarem Ausschau zu halten, ging ihm ein Licht auf: Vielleicht hatte sein Vater ja recht.
    Jetzt waren sie nicht mehr unsichtbar.
    ***
    Kaum hatten die beiden Jungen den Friseursalon verlassen, wies Rayford, der Besitzer, Crystal ihren eigenen Arbeitsplatz zu. Das Mädel hatte Talent. Ohne Frage.
    Dann sah sich Rayford die Einverständniserklärung an, die der ältere der beiden Jungen mit Sam Smith unterschrieben hatte.
    Als Sam Smith zur Tür rausgegangen war, hatte er ausgesehen, als ob er einer europäischen Modezeitschrift entsprungen wäre. Seine abgetragenen Jeans und das verblichene T-Shirt, die beide nicht so richtig saßen, machten ihn nur noch attraktiver. Der Junge sah einfach umwerfend aus.
    Das war Rayford gleich aufgefallen. Immerhin hatte er drei Jahre in Manhattan gelebt. Und würde dieser Sam in einer Metropole wohnen, dann würde man sofort versuchen, Kapital aus ihm zu schlagen. Aber hier, in dieser abgelegenen Collegestadt mit ihren beiden stillgelegten Sägewerken und der zweistelligen Arbeitslosenrate, war das eher unwahrscheinlich.
    Also bedurfte es keiner langen Überlegung, um eine Werbung mit einem Vorher-Nachher-Foto von Sam im Wochenblatt zu schalten, das freitags in die Briefkästen der besseren Häuser nördlich der Main Street geworfen wurde.
    Die Menschen waren so leicht zu durchschauen. Rayford hätte seinen Arm darauf gewettet, dass im Umkreis von fünfhundert Meilen keiner so aussah wie Sam Smith, aber ebenso hätte er sich dafür verbürgt, dass die meisten hofften, lediglich ein guter Haarschnitt trenne sie von diesem Ziel.
    ***
    Durch das jahrelange ausschließliche Zusammenleben mit einem Verrückten hatten sich auch die Jungs merkwürdig entwickelt. Das wusste Sam.
    Die Besessenheit, mit der sein Bruder zeichnete, war für andere nicht leicht nachvollziehbar. Niemand hatte Riddle je gesagt, dass man richtig oder falsch zeichnen oder an Gegenständen auch andere Aspekte entdecken konnte als nur ihr Innenleben. Und war bei Sam die Verbindung zur Außenwelt auch nicht abgebrochen, so war er sich doch sicher, dass er gelegentlich Dinge tat, die verrieten, dass er ein Sonderling war.
    Das geschah nun mal, wenn man nie zur Schule gegangen war und nie gesehen hatte, wie andere Leute lebten. Man konnte dann nicht beurteilen, wie sehr man mit dem, was man tat, danebenlag.
    Vielleicht war das auch der Grund, weshalb die meisten Stücke, die Sam auf seiner Gitarre spielte, nicht ganz so klangen wie die im Radio, obwohl er schon ziemlich früh rausgekriegt hatte, wie er die Songs nachspielen musste, nachdem er sie ein paarmal gehört hatte.
    Sam konnte gut lesen und er fand es immer wieder erstaunlich, wie viel man aus Zeitschriften und Zeitungen lernen konnte. Aber mindestens so erstaunlich war, wie viel Interessantes die Leute wegwarfen.
    Täglich entdeckte er Kataloge, Briefe und Gebrauchsanleitungen in den Abfallkörben und Müllcontainern. Recycling bedeutete, dass Papier von anderem Müll getrennt wurde, und diese Container enthielten eine noch viel bessere Auswahl an Lesestoff. Richtige Taschenbücher zum Beispiel und auch gebundene Ausgaben zu allen möglichen Themen. Die Leute warfen Fachbücher, Jahrbücher, alte Kalender und sogar Sammelalben weg.
    Egal in welcher Stadt sie sich gerade aufhielten, gingen er und Riddle mindestens zweimal die Woche auf die städtische Müllhalde, um herumzustöbern. Was sie dort fanden, war für sie kein Abfall. Es waren einfach Sachen, die die Leute nicht mehr wollten – und die man sich nehmen konnte, ohne Ärger zu bekommen.
    Riddle stromerte meistens ein bisschen herum, um nach elektrischen Geräten Ausschau zu halten, während Sam sich in dem Bereich aufhielt, wo die Leute ihre Autos ausluden. Meist kamen sie mit einem Pick-up

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