Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
Lebensumstände nicht Bescheid gewusst hatte, und noch eine Weile später verwandelte sich dieses Gefühl in Groll und danach in Einsamkeit. Weshalb sie dann auch zustimmte, als Bobby Ellis sie einlud, mit ihm und seinen Eltern Sonntagabend zum Essen in den Country Club zu gehen.
Emily war bisher in ihrem Leben nur ein einziges Mal im Country Club gewesen, bei Anneke Reeves Geburtstagsparty, wo sie sich die ganze Zeit am Pool aufgehalten hatten. Und deshalb war sie dort auch noch nie im Restaurant oder auf der Terrasse gewesen, wo man einen Blick über den ganzen Golfplatz hatte und als Appetizer Drinks und kleine Snacks serviert bekam.
Nicht dass sie jemals Lust gehabt hätte, dorthin zu gehen.
Emily war noch nicht mal auf die Idee gekommen. Ihre Eltern waren keine Geschäftsleute oder tauchten mit ihrem Nachnamen im Briefkopf einer Firma auf.
Doch als Bobby Ellis ihr erzählte, am letzten Sonntag jedes Monats gebe es im Club das All-you-can-eat-Büfett mit Meeresfrüchten, seine Eltern gingen dort immer hin und er dürfe einen Gast mitbringen, sagte sie Ja.
Aber das bedeutete keinesfalls, dass sie ein Date hatten oder miteinander flirteten oder mehr als nur gute Freunde waren, denn das waren sie nicht.
Das sagte Emily sich immer wieder und wieder.
Mit Bobby Ellis in den Viewpoint Country Club zu gehen, bedeutete überhaupt nichts. Es bedeutete lediglich, dass sie ein Kleid mit Ärmeln tragen musste, nicht mit Spaghettiträgern, und Schuhe, die vorn geschlossen waren.
Emily hatte noch nie von solchen Vorschriften gehört, wenn man doch bloß was essen gehen wollte.
Bobby Ellis erklärte ihr daraufhin, dass für ihn ein Hemd mit Kragen und eine Anzugjacke Vorschrift waren. Und Männer durften den Speisesaal nur betreten, wenn sie ihre Schuhe mit Socken trugen.
Emily fand die Männer-müssen-Socken-anhaben-Regel albern.
Wenn sie ein paar Stunden lang ihre Turnschuhe ohne Socken trug, rochen sie danach so schlimm wie die stinkigen Basketballtreter ihres Bruders. Vielleicht war denen im Country Club dieser Zusammenhang ja nicht so klar wie ihr.
Selbst mit Socken würde sie ihre Turnschuhe aber nicht anziehen, deswegen brauchte sich keiner Sorgen zu machen.
***
Bobby Ellis konnte Meeresfrüchte nicht ausstehen.
Aber am Sonntagsbüfett des Country Clubs waren die Leute ganz verrückt danach. Unmengen unförmiger rosa Shrimps und Berge ausgelöster Krebse lagen dort herum. Bobby Ellis fand das alles so unhygienisch.
All die fetten Finger, die da hineingriffen und das Essen angrabschten. Es gab lange Tabletts mit geräuchertem Lachs und glibberigen Austern. Eimer voller grauer Venusmuscheln und grünlich blauer Miesmuscheln, die von weither eingeflogen waren.
Die Heringe sahen für Bobby Ellis wie aufgeschnittene, filettierte Gartenschnecken aus, in einer fetten weißen Soßenpampe eingelegt. Und obwohl sie überall Knoblauchbrot verteilt hatten, stank es für ihn wie in einem Angelköder- und Fischfutterladen.
Aber Bobby Ellis ließ sich seine wahren Gefühle nicht anmerken und passte sich der allgemeinen Stimmung an, wie er das fast immer im Leben machte. Deshalb drehte er sich auch vertraulich zu Emily, als sie durch die gläserne Schwingtür mit dem VCC-Logo gingen, und flüsterte ihr zu: »Früher gab’s auch Hummerschwänze, aber wegen der schlechten Wirtschaftslage ist das gestrichen worden.«
Emily konnte sich nicht daran erinnern, jemals Hummerschwänze gegessen zu haben, außer wenn man die frittierten Langustinenhappen mitrechnete, die sie einmal bei Long John Silver’s bestellt hatte. Aber die hatten auch nicht anders als normale panierte Shrimps geschmeckt und nicht nach einer besonderen Delikatesse.
Bobbys Mutter Barb seufzte.
»Ach, für Hummerschwänze könnte ich sterben…«
Sie schien es ernst zu meinen. Tiefe Traurigkeit lag auf ihrem Gesicht, das dank einer dick aufgetragenen Make-up-Grundierung glatt und faltenlos aussah. Bobby bedauerte sie, wegen des Hummers und wegen des Make-ups.
Drinnen wurde Familie Ellis (mitsamt Gast) zu einem Tisch am Fenster geleitet. Bobby erklärte Emily, tagsüber sei dies ein großartiger Tisch, weil man von dort auf das siebte Grün blicken könne.
Emily sah nach draußen, wo alles tiefschwarz war.
Ein Kellner kam, um die Getränke aufzunehmen, und Bobbys Eltern bestellten Martinis ohne Eis, mit extra, extra vielen Oliven. Bobby trank eine Cola light und Emily wollte eine Limonade.
Die Getränke kamen mit Plastiksticks zum Umrühren, an deren
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