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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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brauchte.
    Ein Schwarm kleiner schwarzer Fliegen schwang sich jäh in die Luft und schwebte wie ein Filter oder ein fein gesponnenes Netz über seinem Kopf. Sam sah zu, wie sich die Fliegen dort in rasendem Taumel hin und her bewegten. Was taten sie da oben nur? Was war es, das sie antrieb? Und schon verwandelte sich ihr wildes Hin und Her in seinem Kopf in Klänge.
    Körperliche Schmerzen ließen bei Sam meist nach, wenn es ihm gelang, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten. Das hatte er schon vor langer Zeit herausgefunden und erprobt. Jetzt half es ihm erneut und mehr denn je dabei, die quälenden Schmerzen auszuhalten, für die eine gebrochene Schulter, sechs gebrochene Rippen, ein gebrochenes Schlüsselbein, eine Gehirnerschütterung und zahlreiche Knochenprellungen verantwortlich waren.
    Sam hatte keine Ahnung, wie lange Riddle jetzt schon wieder unterwegs war.
    Und als er plötzlich neben seinem Lager auftauchte, trug er den alten gestreiften Pullover als Schlinge um den Hals. Er hatte ihn zum Tragetuch umfunktioniert und Dutzende und Aberdutzende weicher brauner Kolben darin transportiert.
    Wie besessen ordnete er sie jetzt in langen parallelen Reihen auf dem Boden an und Sam sah ihm dabei zu.
    Als das geschafft war, zog Riddle seinen Bruder behutsam von der feuchten Kiefernnadelnunterlage fort und bettete ihn auf das neue Lager, das Sam und seinem geschundenen Körper wie das weicheste Kissen vorkam, das man sich nur erträumen konnte.
    ***
    Ganz langsam hangelte sich Clarence an den Felsen aufwärts.
    Sein mehrfach gebrochenes Bein war mittlerweile schon ganz steif und angeschwollen. Es hatte sich verfärbt, wohl weil sich Blut in den Gefäßen gestaut hatte, und war beinahe doppelt so dick wie sonst.
    Durch sein Schlüsselbein zuckte immer noch höllischer Schmerz, aber wenn er die Arme vor der Brust verschränkte, sobald er eine Pause machte, konnte er die Attacken auf ein Minimum reduzieren.
    Jeder normale Mensch hätte längst aufgegeben. Der irrsinnigen Schmerzen wegen. Und weil es der blanke Wahnsinn war, die zerklüftete Felswand bezwingen zu wollen. Die pure Überforderung. Aber dasselbe Moment, das Clarence zu seinen irrationalen Handlungen antrieb, trug jetzt dazu bei, dass er sich nicht unterkriegen ließ.
    Und so zog er sich am Nachmittag des nächsten Tages, volle vierundzwanzig Stunden, nachdem sie abgestürzt waren, den letzten Meter des Abhangs nach oben und auf die Schotterstraße.
    Nicht weit entfernt stand mitten im rauschenden Wasser sein Laster. Mit allerletzter Kraft wankte Clarence in den eisigen Bach hinein und trank bestimmt zehn Minuten lang daraus. Dann humpelte er auf die Beifahrertür zu, riss sie auf und ließ sich auf den Vordersitz fallen, wo er das Bewusstsein verlor.
    ***
    Da Clarence den Jungen immer schon zugemutet hatte, sich selbst durchzuschlagen, geriet Riddle auch nicht in Panik, als sie jetzt ganz allein und nur auf sich gestellt in einer tiefen Schlucht festsaßen. Sam und er waren Überlebenskünstler, das hatten sie selbst in den Städten oft genug bewiesen.
    So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass Riddle, nachdem Sam wieder eingenickt war, Zweige aus dem hier wuchernden Gestrüpp abbrach und daraus eine Art Unterschlupf für sie baute. Er stapelte die Zweige zu einem etwa meterhohen Wall auf.
    Zufrieden, weil sie es nachts jetzt wärmer haben würden, setzte er sich neben Sam auf den Boden. Er war erschöpft. Riddle schloss die Augen und spürte, wie es in seinen Fingern zuckte.
    Ich muss Linien zeichnen. Ich muss Formen zeichnen.
    Aber ich habe meinen Zeichenblock nicht da.
    Ich muss Linien zeichnen.
    Da fiel ihm plötzlich ein, dass er in seiner Hosentaschenocheinen Kugelschreiber stecken hatte. Er zog ihn hervor, hielt ihn in der Hand und fühlte sich gleich besser.
    State-Farm-Versicherungen – Vorbeugen ist besser! s tand darauf.
    Riddle schraubte den Kugelschreiber auf und begutachtete alle seine Einzelteile.
    Als Erstes sah er sich die beiden Außenteile an, zwischen denen sich ein dünner Metallring befand. Sie waren aus Kunststoff. Am oberen Ende war ein Metallclip angebracht und im Gehäuse saß eine kleine Feder, die auf die Kunststoffröhre mit schwarzer Tintenpaste drückte.
    Riddle zog an der Spirale, bis sie sich zu einem dünnen, leicht gebogenen Metallstreifen ausdehnte. Dann schob er alle Einzelteile zurück in seine Hosentasche. Er kauerte sich neben seinem Bruder zusammen und schlief sofort ein.
    Als er etliche Stunden

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