Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
Ende ein kleines Schildchen mit goldenem VCC-Logo hing. Bobby hatte die Plastiksticks noch nie bemerkt, erst als Emily ihn darauf hinwies, und er fragte sich, wie sie ihm sein ganzes Leben lang bei den allwöchentlichen Besuchen mit seinen Eltern hatten entgehen können.
Bobby hoffte, eine Cola light zu trinken, würde ihn nicht wie ein Mädchen wirken lassen, aber er war an den Geschmack gewöhnt und mochte sie einfach lieber als normale Cola. Nachdem der Kellner ihnen die Getränke gebracht hatte, fingen Bobbys Eltern an, Emily Fragen zu stellen. Bobby wand sich innerlich, obwohl er nach außen die übliche freundliche Miene machte.
Er wusste, dass sein Vater und seine Mutter nicht anders konnten. Schließlich handelte es sich bei ihnen um einen Rechtsanwalt und eine Privatdetektivin. Ausfragen war einfach ihr Ding. In ihrer Welt ersetzte es sämtliche Gespräche und Small Talk.
Schon in frühester Kindheit hatte Bobby Ellis gelernt, immer das zu antworten, was die Leute am liebsten hören wollten. Dann hörten sie am schnellsten mit der Fragerei auf. Aber Emily kannte diesen Trick offensichtlich nicht und deshalb führten ihre Antworten immer nur zu weiteren Fragen.
Barb Ellis trank ihren zweiten Martini mit extra, extra vielen Oliven aus und danach stand man wie alle anderen auf, um sich am Büfett die Teller zu füllen.
Bobby ging nicht mit, weil er sich ein Hacksteak mit extra Champignonsoße von der normalen Speisekarte bestellt hatte.
Er war der Einzige in dem ganzen Saal, der Fleisch aß.
***
Emily war überrascht, wie viel sich alle auf die Teller luden.
Die meisten Leute hatten sich mindestens ein Dutzend Jumboshrimps und dazu genauso große Portionen von all den anderen Meeresfrüchten aufgehäuft.
Vor dem Berg mit den ausgelösten Krebsen stand eine lange Schlange, deshalb übersprang Emily sie ganz.
Anders als in einem normalen Restaurant schienen sich die Leute alle zu kennen, deshalb plauderten sie miteinander, während sie Shrimps in die Cocktailsoße tunkten oder darauf warteten, cremiges rosa Dressing aus einem silbernen Krug über ihre Krebse zu schütten.
Die hungrigen Clubmitglieder waren höflich zu ihr, aber wie sie sich für alles begeistern konnten, nervte Emily. Ihr Blick schweifte über die Tische. Die Gläser hatten alle kleine Papiermanschetten, was sie vorher noch gar nicht bemerkt hatte. Sollten sie die Tropfen auffangen? Wie unnötig.
Und dann gab es da diese Stoffstreifen, die über die Zitronenscheiben gespannt und mit glänzenden gelben Schleifen festgebunden waren. Um die Kerne zurückzuhalten? All diese überflüssigen Kleinigkeiten machten sicherlich jede Menge Arbeit.
Aber es lag nicht an ihr, darauf hinzuweisen.
***
Einen schlechten Shrimp kann man jederzeit und überall erwischen.
Das sagte zumindest Emilys Mutter. Deshalb dürfe man der Küche im Viewpoint Country Club keinen Vorwurf machen.
Während des Essens ging es Emily noch gut. Und auch die ersten beiden Stunden zu Hause.
Aber als sie ins Bett wollte, begann ihr Magen zu rebellieren. Ihr brach kalter Schweiß aus und wenige Augenblicke später hing sie mit dem Kopf über der Kloschüssel, wo sie dann auch weitere vierzig Minuten blieb. Ihr war noch nie so schnell schlecht geworden, jedenfalls nicht, soweit sie sich erinnern konnte.
Und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie Sam betrogen hatte, indem sie mit Bobby Ellis an diesem Abend ausgegangen war, und dass sie jetzt dafür bezahlte.
27
Clarence lag jetzt schon fünf Tage lang allein in seinem Laster.
Er hatte zwei gestohlene, rezeptpflichtige Flaschen codeinhaltigen Hustensafts getrunken. Er hatte den ganzen Wodka ausgesoffen. Er hatte die Saltine Cracker und einen vergammelten Schnurkäse gegessen, den Riddle im Handschuhfach versteckt hatte. Er hatte eine ganze Packung Aspirin ohne Wasser gelutscht, als wären es Bonbons, und so lange an den Rändern von vier leeren Limobüchsen geleckt, bis er sich die Zunge aufgerissen hatte.
Aber jetzt war es Zeit, den Tatsachen ins Auge sehen: Er saß hier fest mit einem kaputten Lkw. Und einem schlimmen Beinbruch.
Am Ende der Straße, die ins Tal hinunterführte, war Hilfe zu erwarten. Aber er konnte sie nicht hinuntergehen.
Und jetzt hatte sich sein Bein um den herausstakenden Knochen herum auch noch massiv entzündet.
Clarence verstand nichts von Medizin. Aber selbst er spürte, dass ihn der Wundbrand, der seine eitrig-schwarzen Finger über seinen gesamten Körper nach seiner Kehle
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