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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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    Seine Schuhe starrten vor Dreck. Riddle trug immer Socken, obwohl sie eigentlich ständig nass waren, sonst wären die Blasen und Abschürfungen an seinen Füßen nicht auszuhalten gewesen.
    Aber jetzt stand die Nachmittagssonne hoch über ihm am Himmel, und Riddle fand, dass er mit der ewigen Sucherei für heute Schluss machen konnte.
    Er wollte endlich seine Schuhe ausziehen. Und seine schmerzenden Zehen befreien.
    Der erste Schuh ließ sich problemlos ausziehen, aber beim zweiten musste er erst den festen, wasserdurchtränkten Knoten in den Schnürsenkeln aufbekommen. Wenn Riddle frustriert war, waren seine Finger einfach nicht geschickt genug für eine solche Aufgabe. Er hätte sich einen Moment lang Zeit lassen und etwas konzentrieren können, aber stattdessen zerrte er so lange und so fest an dem Schuh, bis der aus für ihn unbegreiflichen Gründen in die Luft schnellte und anschließend im Fluss landete.
    Der Schuh bewegte sich flussabwärts, tanzte auf und ab im kalten Wasser und Riddle nahm die Beine in die Hand und lief ihm nach, immer am Flussufer entlang.
    ***
    Als er sich den Felsvorsprung hinuntergestürzt hatte, hatte er rein impulsiv gehandelt, doch seit diesem Vorfall war er eigentlich immer nach Plan vorgegangen. Wenn er nach Brennholz suchte oder etwas Essbarem, tat er es achtsam und überlegte vorher gut.
    Aber jetzt hatte er nur noch den davonschwimmenden Schuh im Auge und verhielt sich ausgesprochen leichtsinnig.
    Er tat Dinge, die er normalerweise nie getan hätte, weil er auf völlig irrationale Weise auf diesen Schuh fixiert war. Obwohl er ständig nach Luft japste, kraxelte er über Felsen und zwängte sich durch dichtes Gestrüpp, während er dem ohnehin ruinierten Turnschuh folgte. Zweimal schlug er der Länge nach hin. Einmal wäre er dabei fast in den Fluss gefallen, das andere Mal verdrehte er sich böse den Knöchel und musste humpelnd die Verfolgung fortsetzen.
    Er lief und kletterte fast eine Meile über Stock und Stein, und gerade als er dachte, er müsse aufgeben, weil der abtrünnige Schuh einen zu großen Vorsprung hatte und aus seinem Blickfeld verschwand, trieb dieser in eine Einbuchtung am Ufer und die Jagd war vorbei.
    ***
    Starke Strömungen können ein Flussufer so aushöhlen, dass ein Überhang aus Erde bestehen bleibt. Befindet sich auch noch ein Fels in der Nähe, können Überhang und Fels zusammen eine Art Falle bilden. In einer solchen Falle verfing sich Riddles Turnschuh und wurde so in seiner Fahrt durchs Wasser aufgehalten. Riddle hatte Freudentränen in den Augen, als er endlich bei der Einbuchtung ankam. Aber sein Triumphgefühl hielt nicht lange an. Sein Knöchel pochte nämlich jetzt vor lauter Schmerz und er hatte mehr Energie in die Verfolgung gesteckt, als er eigentlich besaß.
    Während er mit gesenktem Kopf nach Luft rang, stach ihm etwas Rotes ins Auge. Es war ein Rot, das so in der Natur nicht vorkam. Aus dem Binsengestrüpp, das auf der anderen, weiter entfernten Seite der Einbuchtung wuchs, schaute etwas Kirschrotes hervor.
    Riddle war zu neugierig, um es dabei bewenden zu lassen. Und nachdem er volle zwanzig Minuten ein Streitgespräch mit sich selbst geführt hatte, streifte er den durchweichten Turnschuh wieder über seinen linken Fuß und ging weiter flussabwärts, um das Kirschrot zu erkunden.
    ***
    Es war ein Tandem-Kajak.
    Das Kajak war gekentert und klemmte zwischen einem Felsen und der Uferböschung. Den schleimig grünen Algen zufolge, die den größten Teil seiner roten Oberfläche bedeckten, musste es hier schon lange liegen.
    Riddle brauchte fast eine volle Stunde, um die Leine zu entwirren und den Schiffsrumpf auszugraben. Aber schließlich gelang es ihm, das Boot freizubekommen. Er zog es die ganze Strecke flussaufwärts, und als er bei Sam ankam, war die Sonne schon lange untergegangen und die Dunkelheit hereingebrochen.
    Trotz der Schmerzen richtete sich Sam auf, als er seinen Bruder kommen hörte. Er war vor Sorge fast gestorben. So lange hatte Riddle sich noch nie von ihrem Platz entfernt.
    Aber Riddle hatte wieder einmal eine Überraschung auf Lager. Er war nicht nur heil und unversehrt zurückgekehrt, er hatte auch den größten Fang aller Zeiten mitgebracht.
    Riddle wirkte vollkommen erschöpft, aber auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck größter Erregung.
    »Ich hab…«, stotterte er und kriegte kaum Luft. »Ich hab… ein…« Riddle keuchte jetzt richtig. Die ganze Unternehmung war über seine Kräfte gegangen. Er

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