Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Goldberg Sloan
Vom Netzwerk:
Gründen.

29
    Das mit dem Boot war keine gute Idee gewesen.
    Der Wal, wie sie Riddles Kajak getauft hatten, lag jetzt am Ufer und diente ihnen als Seitenwand des Unterschlupfs, in dem sie schliefen. Aber Riddle wollte unbedingt mit ihm flussabwärts fahren und sich auf die Suche nach jemandem machen, der sie retten konnte. Er redete von nichts anderem mehr.
    Sam lag auf dem Rücken, sah in die Bäume hinauf, deren Zweige sich in ständigem Auf und Ab bewegten, während er selbst sich so wenig wie möglich bewegte, und wog Riddles Plan wieder und wieder ab.
    Erste Frage: Sollen zwei Jungs, die keine Schwimmwesten anhaben, in ein Boot steigen und auf Stromschnellen zusteuern? Naheliegende Antwort: natürlich nicht.
    Zweite Frage: Sollen zwei Jungs, die keine Schwimmwesten anhaben, in ein Boot steigen und auf Stromschnellen zusteuern, obwohl der eine von ihnen höllische Angst vor Wasser hat und keiner von beiden richtig schwimmen kann? In Mexiko hatte er ja mal versucht, es zu lernen. Ob er es wohl noch immer konnte? Naheliegende Antwort: natürlich nicht.
    Dritte Frage: Sollen zwei Jungs, die keine Schwimmwesten anhaben, in ein Boot steigen und auf Stromschnellen zusteuern, obwohl der eine von ihnen höllische Angst vor Wasser hat, keiner von beiden richtig schwimmen kann und sie auch keine Ruder haben? Sie hatten nur Stöcke. Lange Äste eigentlich, die Riddle für brauchbar hielt. Ach ja und da war noch was: Einer der beiden Jungs hatte sich vermutlich die Rippen und eine Schulter gebrochen.
    Die Frage erübrigte sich.
    Und deshalb lautete Sams Antwort: Nein.
    Sie würden bleiben, wo sie waren. Es würde sie schon jemand finden. Es war nur eine Frage der Zeit. Vielleicht würden sie noch eine Woche durchstehen müssen. Sie wussten, wie sie überleben konnten.
    Und dann begingen sie einen Fehler.
    ***
    Wenn du vierundneunzig lange Tage geschlafen hast, dann wachst du hungrig auf. Vor deinem Winterschlaf baust du erst einmal Fettreserven auf, so circa vierzig Pfund an deinem Wanst normalerweise. Danach suchst du dir eine kleine Höhle oder einen hohlen Baum und sagst dem Sommer Gute Nacht.
    Doch diese Nacht dauert nun mal etwa drei Monate. Und wenn der Frühling dann wieder um die Ecke guckt, dann frisst du alles, sogar Dreck, wenn er mit ein paar Würmern oder Ameisen gewürzt ist. Bis sich die Nahrungssuche wieder eingespielt hat, vergehen ein paar Monate.
    Da draußen gibt es Straßen und Stromleitungen, die führen dahin, wo du dich niemals zeigen darfst.
    Zu den Behausungen der Menschen.
    Sie haben viel zugebaut und uns viel Land genommen und trotzdem gibt es uns noch immer in achtunddreißig Staaten. Und allen zehn kanadischen Provinzen. Und selbst in vielen Teilen Mexikos.
    Ein Bär zu sein, verpflichtet. Und zwar nicht nur dazu, frischen Fisch und wilde Beeren zu lieben.
    In jedem Jahr gibt es aufs Neue Leute, die Fotos von uns schießen wollen. Und jedes Jahr werden wir von Autos überfahren, von Lastern und sogar von Zügen. Wir werden vergiftet. Und gefangen. Auf jede Art und Weise attackiert.
    Und jedes Jahr schlägt einer von uns Bären zurück. Und das ist schlecht für uns und unser Ansehen. Damit die Menschen uns Respekt erweisen, ist es viel günstiger, wenn wir gefährlich wirken, nicht blutrünstig.
    An manchen Dingen lässt sich aber nun einmal nichts ändern.
    Die Menschen nennen es Zerfleischen.
    Wenn das gelegentlich geschieht, liegt es meist nur daran, dass sie uns überraschen. Sie überrumpeln uns. Im Grunde haben wir nur Angst. Wenn du dreihundert Pfund wiegst und zweiundvierzig messerscharfe Zähne und vorne an den Tatzen Krallen hast – und obendrein auch noch ein aufbrausendes Wesen –, dann kann so was schon mal passieren.
    Und manchmal, wenn es übel kommt, dann fressen wir sogar, was wir zerfleischen. Ein Bein vielleicht oder auch einen Arm. Wenn die Gelegenheit sich bietet. Denn ist da keiner, der sich wehrt, dann ist der Tisch für uns gedeckt.
    Doch wie gesagt, es ist nicht unsere erste Wahl.
    Wir lieben nämlich alles Süße. Und das ist meist unser Verderben. Wir würden glatt zehn Meilen für nur ein wenig Honig laufen.
    Und ihn auch finden, denn wir können ihn riechen.
    So finden wir uns auch gegenseitig. Genau wie alle Leckerbissen.
    Und so wurden schließlich auch die beiden Jungs gefunden.
    ***
    Nach dem Essen warf Riddle immer die Fischgräten oder das übrig gebliebene Grünzeug, wenn es welches gegeben hatte, in den Fluss. Das tat er, weil sonst kleine schwarze Fliegen

Weitere Kostenlose Bücher