Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
Hunde witterten nämlich etwas, das die Menschen nicht riechen konnten. Und ihr Gewinsel bedeutete nichts anderes als: Sie saßen in einem Boot. So ist es gewesen.
Aber keiner hörte auf sie.
30
Am Abend des Tages, an dem sie die Unglücksbotschaft erhalten hatten, schliefen Bobby Ellis und Emily auf der Wohnzimmercouch nebeneinander ein.
Emily hatte sich in der Ecke wie ein frierendes Hündchen zusammengerollt. Bobbys großer Körper lag lang ausgestreckt neben ihr, als wäre er an ein Kingsize-Bett gewöhnt und merkte gar nicht, dass er jetzt woanders war.
Debbie deckte die beiden mit Patchworkdecken zu, rief dann Bobbys Eltern an und sagte, sie würde die beiden gern weiterschlafen lassen. Barb Ellis sagte, das verstehe sie, aber in Wirklichkeit verstand sie es nicht. Die Bells waren ja nett, aber trotz allem die typischen kreativen Ökos.
Ja, so war es, ihr fielen einfach keine besseren Worte dafür ein. Ihr Haus war mit viel zu vielen Sachen vollgestopft. Zu viele Bilder an den Wänden, zu viel kleiner Krimskrams, handgefertigte Volkskunstsouvenirs von irgendwoher, die sie am besten mal bei einem Flohmarkt loswerden sollten.
Und dann die vielen Bücher! Sie brauchten unbedingt mehr Regale oder besser noch, sie sollten anfangen, die Stadtbücherei zu benutzen.
Barb hatte in ihrem Haus einen graubraunen Teppich auslegen lassen, und das nicht nur, weil ihr der Anblick gefiel, sondern auch, weil sie wusste, dass es nach dem Staubsaugen dann überall sauber war. Weshalb sie auch keine Haustiere hatten.
Bobby hatte eine Allergie gegen Katzen- und Hundehaare, aber selbst wenn er sie nicht gehabt hätte, wären ihr keine Tiere ins Haus gekommen. Sie mochte sie in Zoos oder auf Bäumen oder in einiger Entfernung, auf dem Rasen ihrer Nachbarn beispielsweise, da beobachtete sie kämpfende Eichhörnchen gern.
Aber die Bells hatten diesen aufdringlich freundlichen dicken Hund. Und dann noch zwei verhaltensauffällige Katzen. Und sie hatten Topfpflanzen in den Zimmern, was auch noch so was war, das Barb nicht mochte. In Blumentöpfen steckte Dreck, den man dann in den Zimmern hatte. Und in dem Dreck lebte alles mögliche Ungeziefer und außerdem bestand beim Gießen immer die Gefahr, dass Wasser auf den Boden oder den Teppich lief. Das war einfach so.
Barb mochte Schnittblumen. Aber nicht in bunten Sträußen. Sie mochte es, wenn alles dieselbe Farbe hatte. Zum Beispiel alles in Weiß, was ihrem Sinn für Ordnung und Hygiene entsprach.
Und sie mochte Blumen mit extra langen Stängeln, dann erkannte man nämlich gleich, dass sie nicht aus dem eigenen Garten stammten.
Man sah dann sofort, dass diese Blumen in einem Laden gekauft worden waren und jemand großen Wert darauf legte, solche Dinge wie stilvoll arrangierte Schnittblumen im Haus zu haben.
Und das war wichtig.
***
Nach diesem Tag und dieser Nacht folgte Bobby Emily auf Schritt und Tritt. Sie machten jetzt immer alles zusammen.
Auch die Hausaufgaben, und zwar normalerweise im Wohnzimmer der Bells, meistens lief dazu im Fernsehen Sport, denn so war Bobby es von zu Hause gewöhnt.
Nach einer Woche fragte Bobby Emily, ob sie mit ihm zum Abschlussball gehen wolle, und sie zuckte nur mit den Achseln.
Bevor er an diesem Abend ging, küsste er sie hinter dem Haus. Er fuhr mit der Hand unter ihr T-Shirt und fühlte sich wie im siebten Himmel. Sie merkte es kaum.
***
Um den Schmerz zu verdrängen, war es am besten, die Gedanken anderswohin wandern zu lassen. Sich aus dem eigenen Körper zu lösen und über sich zu schweben, sodass man sich selbst beobachten konnte.
Und so gab es einen auf einmal doppelt.
Immer.
Und die beiden Emilys taten, was von ihnen verlangt wurde, weil man das nämlich tun muss, wenn man in Ruhe gelassen werden will.
Man denkt nicht mehr an die Zukunft, denn die Zukunft ist einem egal, und man denkt niemals mehr an die Vergangenheit, weil sie ja vorbei ist. Und weil an das zu denken, was vorbei ist, nur Schmerz bereitet.
Man versucht zu lächeln, aber es fühlt sich künstlich und falsch an. Aber alles an einem ist jetzt künstlich und falsch, deswegen ist das auch schon egal. Nicht egal ist, wie bedeutungslos auf einmal alles geworden ist. Worüber die Menschen sich aufregen oder wovor sie Angst haben, ist es nicht wert.
Aber das merken sie nicht.
Während die Welt um einen herum den falschen Dingen nachhängt, hat man es selbst längst durchschaut. Man weiß, dass es Dinge gibt, die einem etwas bedeuten, und der Rest ist
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