SAM
erfahren. Ich weiß noch nicht einmal, wie alt er ist. Ich schüttle den Kopf über mich selbst. Da verliebe ich mich also Hals über Kopf in einen mir vollkommen fremden Mann. Schließlich stehe ich auf und gehe in die große Halle. Von überall her höre ich die Geräusche der arbeitenden Männer. Ich gehe durch die Empfangshalle hindurch in Richtung der Bibliothek. Seit dem Abend mit Alex war ich dort nicht mehr gewesen. Als ich vor der Tür stehe, blicke ich mich noch einmal um, ob jemand kommt. Dann drücke ich leise die Türklinke herunter, um dann enttäuscht festzustellen, dass die Tür verschlossen ist. Schade, ich hätte mich so gerne noch einmal darin alleine umgesehen. Es waren noch alte Bücher in den Regalen gelegen und ich hätte zu gerne darin geschmökert. Also wende ich mich von der verschlossenen Tür ab, um wieder zurückzugehen, als ich gerade noch sehe, wie Winston, einen Servierwagen vor sich herschiebend, in der Küche verschwindet. Okay, alter Mann! Zeit mal ein paar unverbindliche Worte miteinander zu wechseln. Ich gehe also zur Küche und trete ein. Als er mich sieht, verzieht er wieder keine Miene und widmet sich weiterhin dem Einsortieren meines Lunchgeschirrs in die Spülmaschine.
„Haben sie einen Wunsch Miss Ravenport ?“
„Würde es ihnen etwas ausmachen, mir eine Tasse Tee zu kochen?“
„Nein, natürlich nicht!“ Damit wendet er sich ab von der Spülmaschine und nimmt den Teekessel vom Herd. Während er den Kessel mit Wasser füllt, nehme ich demonstrativ am Küchentisch Platz. Verwundert sieht er zu mir hinüber.
„Wie lange kennen sie Mr. DeMauriere schon?“, frage ich so beiläufig wie möglich. Ich bin trotzdem durchschaut, denn ein missbilligendes Lächeln umspielt seinen schmalen Mund.
„Lange, sehr lange!“, ist alles, was er preisgibt. Jetzt erst recht, denke ich und frage weiter.
„Kennen oder besser kannten sie seine Familie?“
„Mrs. Margarete durfte ich kennenlernen. Eine sehr kultivierte Frau, mit ausgeprägtem Geschmack.“ Hm, eigentlich will ich mehr über Alexander wissen, also, noch ein Versuch.
„Und, haben sie sich schon eingelebt hier im Schloss?“, taste ich mich vor. „Wo haben sie davor gelebt?“
„Sollten sie sich mit ihren Fragen nicht besser an Mr. DeMauriere wenden?“, antwortet er süffisant und nimmt den pfeifenden Kessel vom Herd. Ich fühle mich ertappt und sage kein Wort mehr. Er reicht mir die Tasse mit heißem Tee.
„Um einen Menschen beurteilen zu können, sollte man nicht seine Angestellten ausfragen, Miss Ravenport. Ich denke Mr. DeMauriere ist jederzeit gerne bereit auf ihre dringendsten Fragen zu antworten.“ Ich nehme meinen Tee und gehe schlecht gelaunt zurück ins Arbeitszimmer. Dieser alte Knochen von Haushälter hat es mir so richtig gegeben. Ich bin wütend über mich und meine ungeschickte Art durch Winston mehr über Alex zu erfahren. Wodurch kann man noch Dinge über einen Menschen herausfinden, ohne ihn direkt zu befragen? Ich runzle die Stirn. Es gibt vieles, dass einen Menschen ausmacht. Kleidung, die äußere Erscheinung, das Auto, das er fährt, den Beruf, den er ausübt, wie er wohnt…..
Ich stelle geräuschvoll die Tasse auf den Schreibtisch. Wie er wohnt, weiß ich ja bereits, aber ich kenne bei weitem nicht alle Räume des Schlosses. Vielleicht lässt sich hier noch etwas mehr über die Person Alexander De Mauriere herausfinden. Ich stehe auf und gehe aus dem Arbeitszimmer. Rechts geht es zur Empfangshalle und den Gang links bin ich noch nie hinunter gegangen. Dort sind noch weitere Türen, doch da Alexander nicht vorhat, die dahinter liegenden Räume in nächster Zeit zu renovieren, bestand nie ein Anlass sich darum zu kümmern. Ich vergewissere mich, dass mich keiner sieht und gehe leise den Korridor hinunter. An der ersten Tür bleibe ich stehen und blicke mich abermals um. Alexander hat nie gesagt, dass es verboten wäre in die anderen Zimmer zu gehen,…also! Ich drücke vorsichtig die Klinke hinunter und schlüpfe durch den Spalt der sich öffnenden Tür.
Schwärze! Shit, ich hatte vergessen, dass es hier wahrscheinlich kein Licht gibt. Meine Augen gewöhnen sich nur langsam an die Dunkelheit. Schemenhaft kann ich Umrisse erkennen. Möbel. Mit weit aufgerissenen Augen versuche ich mehr zu erkennen. Da, ein Lichtspalt. Ich taste mich vorsichtig voran und stoße natürlich gegen...keine Ahnung, einen Tisch? Schließlich erreiche ich den Lichtspalt und ziehe den Vorhang vom Fenster
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