SAM
Eine Träne rinnt meine Wange hinab und Alex fängt sie mit einem Kuss auf.
„Weine nicht, Sam. Für einen Vampir, egal ob reinrassig, Mischblut oder erschaffen, ist der Tod immer noch eine Erlösung. Die Seele ist befreit und sollte es wirklich einen Ort geben, an dem die Guten, die auf Erden wandeln durften, nach ihrem Tod verweilen, dann wird Francesca dort sein. Denn sie war ein Engel auf Erden, ein schwarzer, gefallener Engel auf Erden.“ Er senkt den Blick und für den Bruchteil einer Sekunde spüre ich die tiefe Trauer und den Schmerz der ihn durchfährt. Wir umarmen uns und klammern uns fest aneinander. Wir haben beide einen geliebten Menschen verloren. Mir ist vollkommen egal, dass Francesca ein Vampir war. Sie war ein herzensguter Mensch, sie war meine Freundin, meine Vertraute. Sie hat ein solches Ende nicht verdient. Ich werde sie unendlich vermissen, ihr Lachen und ihre unnachahmliche Art sich mit anderen Menschen zu freuen. Sie wollte so gerne unser Baby in den Armen halten, Alexanders und meine Kinder in ihrem Haus in Vincenza herumtoben sehen,…sie wird nie wieder ein Kinderlachen hören! Ich schlage die Hände vor mein Gesicht und fange bitterlich an zu weinen.
Alexander begleitet mich natürlich zum Flughafen.
„Hier, das sind die Papiere, die du brauchst für die Überführung.“ Er sieht mich aus dunklen Augen an und nimmt mein Gesicht in beide Hände.
„Pass gut auf dich auf, mein Liebling. Ich brauche dich!“ Er küsst mich, innig und voller Zärtlichkeit. Dann löst er sich und setzt seine Sonnenbrille auf, um seine empfindlichen Augen gegen das Sonnenlicht zu schützen. Nach den Schneefällen der letzten Tage, ist heute Morgen der Himmel aufgerissen und die Sonne scheint. Die Fenster am Gate, von dem ich in einer halben Stunde abfliege, lassen zu viel Sonnenlicht einfallen und ich merke, wie er versucht sich dem zu entziehen. Wir gehen in eine Ecke, in der es etwas schattiger ist, als auch schon der letzte Aufruf für den Flug nach Rom ertönt.
„Ich liebe dich! Gib auf dich acht und finde Luca!“, flüstere ich Alexander zu und schenke ihm noch einmal einen flüchtigen Kuss. Dann löse ich mich von ihm und gehe zur Gangway. Ich hasse Abschiede an Flughäfen! Kaum das ich mich von Alex abgewandt habe, bemerke ich plötzlich Rhys neben mir.
„Was tust du hier?“, entfährt es mir sofort. Er blickt mich durch seine Sonnenbrille an.
„Du glaubst doch nicht allen Ernstes, Alexander lässt dich allein, ohne persönlichen Schutz weg?“ Ich drehe mich abrupt zu Alex und sehe, wie er mir ein entschuldigendes Grinsen und ein Achselzucken schenkt. Ich habe leider nicht mehr die Möglichkeit zu argumentieren, denn schon spricht mich eine Flugbegleiterin an: „Mrs. DeMauriere, bitte, darf ich sie an Bord begleiten, ihr Flug geht in zwanzig Minuten.“ Ich sehe zu Rhys, dessen Gesicht unbewegt ist und besteige die Maschine nach Rom. Ich hoffe, ich werde bald wieder bei Alexander sein.
Der Flug ist ruhig und Rhys ein angenehmer Begleiter, denn er redet kein Wort mit mir und scheint die meiste Zeit mit dem Lesen in irgendwelchen Zeitschriften beschäftigt zu sein. Ich hänge meinen Gedanken nach und versuche zu verstehen. Warum musste Francesca sterben? Waren es Balthasars Helfer, die ihr aufgelauert haben? Alexander hat mir erklärt, dass Francesca ausgeblutet wurde. Schon der Gedanke daran erzeugt eine Gänsehaut bei mir. Sie wurde bereits seit Tagen gefoltert und gequält und war offensichtlich für einen Augenblick ihren Peinigern entkommen und hat mich dann sofort angerufen. Leider kam ihr Hilferuf zu spät. Es war ein sehr qualvoller, grausamer und langsamer Tod. Nach dem, was Rhys und Alex herausgefunden haben, müssen es mehrere Vampire gewesen sein und vermutlich wussten sie auch genau, wen sie da töteten. Sie scheinen gewusst zu haben, dass Francesca Alexander sehr nahe stand. Ich habe es nicht gesehen, aber Alex sagte mir später, dass an der Wand dieses verfallenen Wohnraums eine Nachricht stand, die für ihn bestimmt war. Auf meine Frage, um welche Nachricht es sich gehandelt hat, schüttelte Alexander nur den Kopf und antwortete nicht. In solchen Momenten ist es erfahrungsgemäß auch sinnlos weiter auf ihn einzuwirken. Also nehme ich diese Information nur zur Kenntnis und versuche mir meinen eigenen Reim darauf zu machen. Meine Gedanken wirbeln wild in meinem Kopf durcheinander und als ich aufsehe, bemerke ich, dass Rhys mich anstarrt.
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