SAM
auch alle anderen Kämpfer der Neuen Gegenration. Sie blicken auf uns herab und in ihren Gesichtern steht Angst, Enttäuschung und Verzweiflung geschrieben. Ich ertrage diese Blicke nicht, ich bekomme unter der Last der Verantwortung kaum noch Luft. Aber ich muss weitermachen, ich darf jetzt nicht aufgeben. Nicht jetzt! Ich presse mein Handgelenk fester gegen seine Lippen. Blut rinnt seinen Mundwinkel hinunter. Erneut verschwimmt mein Blick von den Tränen, die meine Augen fluten. „Bitte Alex, bitte!“, flüstere ich voller Verzweiflung, am ganzen Körper zitternd. Und dann plötzlich bewegen sich seine Lippen. Seine Zunge gleitet sacht über die offene Stelle an meinem Handgelenk. Und endlich, endlich schluckt er mein Blut, das im Takt meines Pulses in seinen Mund fließt. Wir liegen immer noch auf dem Boden und ich bemerke wie seine Nasenflügel sich bewegen, als würde er Witterung aufnehmen. Seine Augenlider beginnen zu zucken und einige Sekunden später blickt er mich mit schwarzen, gierigen Augen an. Sein hungriger Blick gleitet über meinem Hals und schon höre ich dieses tiefe Grollen aus seinem Inneren aufsteigen. Er braucht Blut! Mehr Blut! Ich lehne mich zu ihm herab und neige meinen Kopf, um ihm besseren Zugang zu verschaffen.
„Nimm mich! Ich weiß, dass du uns nichts antun wirst.“ Dann spüre ich auch schon seine zitternde Hand in meinem Nacken und seinen kalten Atem an meinem Hals. Seine raue Zunge fährt einmal über den Puls an meinem Hals. Ich schließe die Augen und gebe mich seinem Eindringen hin. Seine tiefen Züge und das gierige Schlucken meines Blutes sind wie eine Erlösung für mich! Ich habe das Richtige getan! Meine Entscheidung war richtig! Wir sind wieder vereint! Für Immer! Bis in alle Ewigkeit!
Kapitel XVIII
„Nein, er schläft immer noch! Aber es geht ihm schon deutlich besser“, versichere ich Rhys am Telefon. Er kündigt sein Kommen für den Abend an und wir verabschieden uns. Ich sitze auf dem Sofa in unserem Appartement und lehne mich zurück in die Polster. Mein Blick schweift zur Fensterfront und ich sehe die letzten Sonnenstrahlen des Tages zwischen den Häusern durchbrechen. In den letzten beiden Tagen habe ich nichts anderes getan, als mich zu erholen, Alexander mit Blutkonserven zu versorgen und seine vielen Wunden zu pflegen. Und ich nutze die Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten.
Die Nacht, in der Balthasar vernichtet wurde, geht mir immer wieder durch den Kopf. Natürlich wollte Alexander wissen, wie ich zu den für ihn lebensrettenden Erkenntnissen gekommen bin. Ich habe ihm alles erzählt: das Auftauchen des Padres bei Francescas Beerdigung, seine Hinweise auf die Alten Schriften, meine Reise nach Schottland, das Treffen mit Lylha. Er hat aufmerksam zugehört und nur einmal habe ich so etwas wie Enttäuschung in seinen Augen gesehen, als ihm bewusst wurde, dass ich ihn damals angelogen habe, als ich ihm sagte, ich wolle nach England um ein paar persönliche Dinge zu erledigen. Natürlich wollte er genau wissen, welche Informationen ich von Lylha bekommen habe und ob die Schriften wirklich ein für alle Mal vernichtet sind. Ich berichtete ihm davon, wie Lylha ein Pergament nach dem anderen ins Feuer geworfen hat und ich unmittelbar danach mit der Flut ihrer Erinnerungen überwältigt wurde. Natürlich kam auch zur Sprache, was ich am liebsten aus meinen Erinnerungen für immer verbannen möchte: Alexander wollte wissen, warum ich ihm den Dolch ins Herz gestoßen habe. Ich habe mit stockender Stimme berichtet, dass ich wusste, wer Balthasars Mutter und auch wer sein Vater war. Alexander musterte mich genau, als ich es ihm erklärte. „Er war Lylhas Sohn. Und du warst sein Vater. Lylha war schwanger, als du sie verlassen hast. Sie hielt dich nicht auf, weil sie wusste, dass du deinen eigenen Weg gehen musstest und sie dich nicht länger an sich binden konnte. Sie wusste, sie hatte dich schon lange Zeit vorher für immer verloren. Sie hatte keinen Einfluss mehr auf dich. Und sie sah, wie du immer stärker und mächtiger wurdest. Aber sie wollte dein Kind. Unbedingt. Sie bekam deinen Sohn und wusste doch, dass sie ihn niemals allein großziehen könnte. Also suchte sie eine Familie für ihn. Sie fand die McCarricks, ein traditionsbewusster, reinrassiger Clan von Vampiren, die in den Highlands ein zurückgezogenes Leben führten. Sie brachte ihnen das Baby und verlangte, dass sie es als ihr eigenes annahmen und zu einem stolzen und mächtigen
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