Samantha Dyson 02 - Verhängnisvolle Jagd
zurücklassen!« Ihre Stimme überschlug sich.
»Lass … mich. Schnell … Hilfe.« Laurels Brust schmerzte, ein dicker Kloß saß ihr im Hals. Panisch blickte sie sich um. Was sollte sie bloß tun? Alles in ihr sträubte sich dagegen, Rey zurückzulassen. Aber sie musste Hilfe holen. »Hast … versprochen.«
Als wenn sie das vergessen könnte! Sie erinnerte sich noch gut an ihr Gespräch, als Rey ihr das Versprechen abgenommen hatte, im Notfall alleine zurückzulaufen und Hilfe zu holen. Aber als sie ihn jetzt so blass und still dort liegen sah, zog sich ihr Magen zusammen. Was war, wenn er hier alleine und verlassen starb? Das würde sie niemals überwinden. Andererseits würde er garantiert sterben, wenn sie nicht bald jemanden benachrichtigte. Energisch wischte sie sich die Tränen aus den Augen und richtete sich auf. Sie zog ihr T-Shirt aus und band es Rey vorsichtig um den Kopf. Vielleicht würde dieser provisorische Verband helfen, den Blutfluss zu stoppen oder wenigstens einzudämmen. Reys Stöhnen, als sie die Wunde berührte, ging ihr durch Mark und Bein, aber es musste sein.
Schließlich kroch sie zu dem ersten Mann hinüber. Mit einer Hand prüfte sie seinen Herzschlag. Er lebte noch. Hastig zog sie den Gürtel aus den Schlaufen seiner Hose, wickelte ihn so fest um seine Fußgelenke, wie sie konnte, und schnallte ihn zu. Dann entfernte sie die Schnürbänder von seinen Schuhen und fesselte mit ihnen seine Arme hinter dem Rücken. Die Schuhe warf sie mit aller Kraft in die Büsche. Ein letztes Mal prüfte sie sämtliche Fesseln und nickte dann zufrieden. Das müsste halten, sollte er überhaupt in nächster Zeit wieder zu sich kommen.
Plötzlich kam ihr eine Idee. Vielleicht hatte er ein Handy dabei! Falls man hier unten überhaupt Netzkontakt hatte. Sofort kniete sie sich wieder neben ihm nieder und durchsuchte seine Kleidung. Nichts. Enttäuscht ließ sie sich auf die Fersen zurücksinken. Das wäre vielleicht die Rettung gewesen. Ihr Blick fiel auf den Toten. Es widerstrebte ihr, noch einmal in seine Nähe zu kommen, aber wenn nur die geringste Möglichkeit bestand, dass er ein Handy dabeihatte, dann würde sie es tun. Sie sprang auf und lief zu ihm. Nach kurzem Zögern ließ sie die Hände über seinen Körper wandern. Übelkeit stieg in ihr hoch, als sie das große Loch sah, das die Kugel in seinen Oberkörper gerissen hatte. Überall war Blut, auf seiner Kleidung, ihren Händen und auch auf dem Boden. Mit zusammengepressten Lippen zwang sie sich weiterzusuchen. Schließlich stießen ihre Finger auf etwas Hartes in seiner Jackentasche. Aufgeregt zog sie den Gegenstand heraus. Es war ein Handy!
Mit blutigen Fingern wählte sie den Notruf. Zitternd hielt sie den Hörer ans Ohr. Nichts. Nur ein Rauschen war zu hören. Ungläubig schaute sie auf das Display. Nein, das konnte nicht sein!
Netzsuche
. Sie sah nach oben. Kein Wunder bei über 1600 Meter hohen Felswänden ringsherum. Verdammt! Laurel warf das Handy neben den Toten, wischte sich die Finger mit Erde und Gras ab und erhob sich. Sie konnte sich nicht mit verpassten Möglichkeiten aufhalten, sie musste handeln, Hilfe holen.
Rasch kniete sie sich noch einmal neben Rey. Ihre Finger strichen über sein Gesicht. »Ich beeile mich. Bitte, halte durch.«
Reys Augen blieben geschlossen, sein Atem war nur noch schwach. Seine Lippen bewegten sich. »Hm.«
Bleierne Angst fraß sich in Laurels Eingeweide. Es schien ihm mit jeder Minute schlechter zu gehen. Sie beugte sich hinab und küsste seine bleichen Lippen. »Wenn du durchhältst, verrate ich dir auch ein Geheimnis. Etwas, das ich noch nie jemandem gesagt habe.«
Reys Augenlider flatterten, kurz hoben sie sich, dann fielen sie wieder zu. »Ich … warte.« Sein Murmeln war kaum noch zu vernehmen.
Entschlossen sprang Laurel auf und machte sich auf den Weg. Sie schlug sich durch die dichten Büsche, strauchelte, fiel hin, raffte sich augenblicklich wieder auf und lief weiter. Wie ein Mantra hallte es durch ihren Kopf.
Er darf nicht sterben. Er darf nicht sterben. Er darf nicht sterben.
Und es trieb sie dazu an, noch schneller zu laufen. Es hing an ihr, ob Rey Dyson weiterlebte oder nicht. Sie durfte einfach nicht versagen! Keuchend hetzte sie am Ufer entlang. Auf dem Sand und den kleinen Kieseln zu laufen bereitete ihr noch keine große Mühe, aber bald würde sie die steile Felswand entlangklettern müssen. Wie sie das in ihrem Zustand bewerkstelligen sollte, wusste sie nicht, aber sie würde
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