Samantha Dyson 02 - Verhängnisvolle Jagd
die Natur den Atem an.
35
Nur langsam erwachte Laurel aus ihrer Erstarrung. Wieder kroch sie auf den Mann zu, die Pistole fest im Griff. Möglicherweise stellte er sich tot, um sie dann in einem schwachen Moment wieder anzugreifen. Oder er war wirklich tot. Laurel rieb sich mit einer zitternden Hand über den Mund. Sie musste einfach sichergehen, damit sie nicht erneut von ihm überrascht wurde. Zögernd streckte sie eine Hand aus und berührte ihn an der Schulter. Nichts. Ihre Finger glitten über seinen Hals zu seinem Puls. Sie schien nur ihren eigenen rasenden Herzschlag zu fühlen, ihre Finger kribbelten. So würde sie keine Gewissheit erlangen! Schließlich fasste sie genug Mut, um ihn am Arm zu packen und mit Schwung auf den Rücken zu drehen. Sein Blick bohrte sich in ihren. Erschrocken sprang sie zurück. Das Herz hämmerte ihr in der Brust. Dann erkannte sie, dass er sie nicht wirklich anschaute, sondern seine Augen starr nach oben gerichtet waren. Tot.
Die Waffe glitt aus ihren klammen Fingern. Mit einem dumpfen Laut prallte sie auf den Boden. Laurel presste beide Hände vor den Mund, um den Schrei zu unterdrücken, der in ihr anschwoll. Oh Gott, sie hatte jemanden getötet! Übelkeit überkam sie, drohte sie zu ersticken. Sie hockte am Boden, die Arme um sich geschlungen, und wiegte sich hin und her.
Ein Stöhnen ließ sie aufblicken. Lebte er doch noch? Nein, es war Rey! Wie konnte sie hier ihre Zeit und vor allem mit ihren Schuldgefühlen verschwenden, wenn Rey ihre Hilfe brauchte? Rasch sprang sie auf und lief mit wackligen Beinen zu ihm.
Seine Augen waren geschlossen, das Gesicht war kalkweiß. Blut rann aus seinen Haaren über den Stein und versickerte im Sand. In dem schummrigen Licht unter dem Blätterdach versuchte sie zu erkennen, wie schwer er verletzt war. Sanft strich sie mit der Hand über seinen Hinterkopf, suchte nach der Verletzung. Seine langen, nassen Haare ließen es nicht zu, eine Wunde zu erfühlen. Aber sein Hinterkopf war durchtränkt – ob von Flusswasser oder Blut konnte sie nicht sagen. Tränen traten ihr in die Augen, doch energisch wischte sie sie wieder weg.
Sie beugte sich zu ihm hinunter. »Rey, kannst du mich hören?« Mit den Fingern fuhr sie ihm über die Wange. Sie fühlte sich kalt und klamm an. »Bitte, Rey, ich brauche dich doch.«
Abermals ein Stöhnen.
Seine Augenlider hoben sich langsam. Warum waren sie so schwer? Auch sonst konnte Rey kaum etwas bewegen, nur seine Finger zuckten leicht. Schließlich schaffte er es, den Blick auf Laurel zu richten. Doch das Bild, das er sah, ließ ihn stutzen. Er zwinkerte, aber die Unschärfe und das doppelte Bild blieben.
»Laurel.« Seine Stimme war so tonlos, dass er selbst erschrak.
Laurel beugte sich dicht über ihn. »Beweg dich nicht, ich werde versuchen, dir zu helfen.«
Nicht bewegen? Selbst wenn er es gewollt hätte, könnte er es nicht. Ein Teil seines Gehirns schien jedoch noch zu funktionieren. »Männer?«
Laurel Finger verkrampften sich um seine. »Einer ist tot.« Ihre Stimme bebte. »Ich habe ihn umgebracht.«
Rey zuckte zusammen, dann fühlte er Erleichterung in sich aufsteigen. Wenigstens konnte er Laurel nun nicht mehr verletzen. Sein Herzschlag setzte aus. Oder hatte er das schon? »Bist … okay?«
Er schien Mühe zu haben, mehr als ein Wort herauszubringen. Wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung. Laurels Nicken ließ ihn erleichtert aufatmen. Sofort schüttelte eine Hustenattacke seinen Körper. Scharfe Schmerzen schossen durch seinen Kopf und raubten ihm fast die Besinnung. Laurels Hände stützten ihn, bis er sich beruhigt hatte.
»Geht es wieder?« Laurels Stimme wehte beruhigend über ihn.
Müde … so müde. Rey versuchte die Augen offen zu halten, aber es fiel ihm immer schwerer. »Ja.« Schon das kurze Wort war fast zu viel Anstrengung. Aber etwas musste er noch loswerden. »Anderer Mann?«
Laurel sah zu der Stelle hinüber, wo der andere immer noch am Boden lag. Er hatte sich nicht mehr gerührt, seit sie ihn mit dem Stein niedergeschlagen hatte. »Er scheint noch bewusstlos zu sein, oder er ist auch tot, ich weiß es nicht.«
»Fesseln.«
Laurel schaute stirnrunzelnd um sich. Womit sollte sie ihn fesseln? Dann fiel ihr Blick auf seinen Gürtel. Okay, das würde vielleicht gehen. Und zur Not könnte sie auch noch die Schnürbänder benutzen. Sie wollte sich gerade erheben, als Reys Stimme sie innehalten ließ.
»Hol … Hilfe.«
»Aber ich kann dich doch hier nicht so
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