Samantha Dyson 02 - Verhängnisvolle Jagd
»Komm, gehen wir.«
»Wieso, wollten wir denn nicht auf diesen Rey warten und ihn beseitigen?«
Der Anführer ging zur Tür und winkte ungeduldig seinem Kumpan. »Keine Sorge, ich habe jetzt einen genauen Plan, wo er sich derzeit aufhält. Wir brauchen ihm nur zu folgen und dafür zu sorgen, dass er nie wieder zurückkommt.«
28
Je weiter sie abstiegen, desto wärmer wurde es. Auch die Vegetation wechselte rasch. Oben am Rand wuchsen Mischwälder und Bergsträucher, in der Übergangszone weiter unten dann Kiefernwälder und Wermutsträucher, während in den tieferen Schichten Nusskiefern und Wacholdersträucher vorherrschten. Am Grund des Canyons würden sie dann auf Kakteen, Yuccas und Trockensträucher treffen, wie Rey Laurel erklärte.
Staunend betrachtete Laurel die wechselnden Gesteinsschichten, deren Entstehungsgeschichte Rey ihr ebenfalls anschaulich begreiflich machte, während sie dem schmalen, sandigen Weg folgten. Hin und wieder trafen sie einzelne Wanderer oder kleinere Gruppen, aber die meiste Zeit war es fast, als wären sie die einzigen Menschen in dieser atemberaubenden Welt. Mauersegler flogen über ihre Köpfe hinweg, Echsen und Erdhörnchen huschten über den Weg.
Laurel blieb abrupt stehen, als sie ein blaues, glitzerndes Band in der Schlucht erblickte. »Ist das der Colorado?«
»Nein. Wir sind hier in einem Nebencanyon, das dort unten ist der Bright Angel Creek. Wir werden den Colorado erst sehen, wenn wir fast ganz unten angekommen sind.« Er betrachtete den Weg vor ihnen. »Wir sind bald da.«
»Hattest du das nicht vor einer Stunde schon gesagt?«
»Ja. Aber diesmal stimmt es wirklich. Wenn du ganz still bist, kannst du sogar schon das Rauschen des Colorado hören.«
Laurel lauschte angestrengt, konnte aber nicht sagen, ob sie wirklich Wasser hörte oder nur das Rauschen des Windes. Die Wände aus Vishnu-Schiefer, der ältesten Gesteinsschicht des Canyons, rückten langsam näher, die Schlucht wurde immer enger. Rey hatte nicht gelogen: Sie waren kaum mehr als eine halbe Stunde gegangen, als sie an der Phantom Ranch vorbeikamen. Außer einem kleinen Campingplatz, der sich direkt am Flussufer befand, war die Ranch die einzige organisierte Übernachtungsmöglichkeit auf der Nordseite des Colorado. Sie gingen an den unter Pappeln stehenden, aus Stein und Holz gebauten Gebäuden vorbei und erreichten schließlich, nachdem sie auch den Campingplatz hinter sich gelassen hatten, das Ufer des Colorado River.
Der Anblick raubte Laurel fast den Atem. Wie konnte hier, scheinbar mitten in der Wüste, so viel Wasser fließen? Eine schmale Hängebrücke überspannte den Fluss in einiger Höhe. Den Flusslauf säumte eine grüne Oase, Weiden und Pappeln spendeten Schatten. Sogar das Quaken eines Frosches war zu hören. Ungläubig starrte Laurel auf das Wasser und ließ den Blick die Felsen gegenüber hinaufgleiten, bis sie weit, weit oben den Rand erkennen konnte. Und da sollte sie wieder hinaufkommen? Kopfschüttelnd richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Fluss. Darüber würde sie später nachdenken, jetzt war sie erst einmal hier. Sie bückte sich und ließ die Hand durch das angenehm kalte Wasser gleiten.
Als sie Reys Hand auf ihrer Schulter spürte, richtete sie sich langsam auf und drehte sich um. »Es ist fantastisch hier!«
Rey nickte lächelnd. »Ja, das ist es. Aber wir sind noch nicht ganz am Ziel, wir werden in einem Nebencanyon übernachten. Willst du dich etwas ausruhen, bevor wir weitergehen?«
»Wie viel Zeit haben wir denn noch, bevor die Sonne untergeht?«
»Ausreichend, um eine Pause einzulegen.«
Sehnsüchtig blickte Laurel auf das Wasser, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich trinke nur etwas, dann können wir sofort weiter.«
Lachend betrat Sam, gefolgt von Morgan, das Haus. Ihre Eltern brachten noch das Auto in die Garage. Die gemeinsame Ausfahrt im neuen Wagen hatte Sam sehr genossen. Schade, dass Rey und Laurel nicht dabei gewesen waren. Andererseits war es wohl das Beste für Rey, wenn er erst einmal in die Natur eintauchen und das Geschehene für kurze Zeit beiseiteschieben konnte. Auch wenn er es nie vergessen würde. Sie selber hatte auch nach fast einem halben Jahr immer noch den Anblick vor Augen, wie ihr Pick-up auf dem Parkplatz der Universität von Salt Lake City durch eine Autobombe in die Luft geflogen war. Mit ihrem ehemaligen Professor darin. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie schlang die Arme fest um sich und erinnerte sich
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