Samantha Dyson 02 - Verhängnisvolle Jagd
Laurel einen Teil ihres Gepäcks abnehmen wollen, aber sie hatte darauf bestanden, alles in ihren eigenen Rucksack zu packen. Dieser wirkte fast übermächtig an ihrer zierlichen Gestalt, so als würde sie selbst ohne Probleme auch hineinpassen. Kopfschüttelnd sah Rey zu, wie sie sich energisch die Baseballkappe auf den Kopf setzte und die ersten Schritte ging. Nachdem er die Zentralverriegelung betätigt hatte, folgte er ihr.
Der befestigte Weg führte ein Stück weit am Abgrund entlang auf einem schmalen Grat bis hin zum Bright Angel Point, wo der Trail hinunter in den Canyon begann. Laurel blieb stehen und atmete scharf ein, als sie zum ersten Mal das grandiose Panorama des Grand Canyon vor sich sah. Die bizarre Terrassenlandschaft mit den unzähligen Plateaus, Schluchten und Graten leuchtete in der schräg stehenden Morgensonne rot auf. Ein paar Jahre zuvor war sie schon einmal am Südrand gewesen, aber vom nördlichen Punkt aus war die Aussicht noch spektakulärer. Im Süden war die Zivilisation mit all den Menschen, Gebäuden und Straßen noch zu präsent. Hier gab es nichts als Natur. Vor allem konnte man vom höheren Nordrand aus auch auf das Plateau des Südrandes schauen, das bis fast zur Abbruchkante mit Wäldern bedeckt war. Oft sah man in den Filmen und auf Fotos nur das rötliche Gestein des Canyons, aber wenn man den Canyon als Gesamtbild sah, mit der Vegetation und dem Wald oben auf dem Plateau, dann war es noch viel beeindruckender.
Ein Piepsen hinter ihr schreckte sie auf. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie, dass Rey bereits wieder filmte. Die Kamera ruhte auf einem mächtigen Stativ, das nicht nur einen sicheren Stand gewährleistete, sondern auch perfekte Schwenks, wie er ihr tags zuvor erklärt hatte. Gott, war das wirklich erst gestern gewesen? Durch die Ereignisse schien es ihr fast, als wäre sie bereits seit Ewigkeiten mit Rey zusammen. Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie beobachtete, wie Rey mit der Kamera hantierte und dabei alles um sich herum vergaß. Wie sie schon in Südafrika bemerkt hatte, konnte er, wenn er filmte, seine Umwelt völlig verdrängen und nur noch das wahrnehmen, was er durch den Sucher seines Camcorders sah. Sie zog ihre Digitalkamera aus der Seitentasche ihres Rucksacks und machte einige Fotos von Rey, wie er vor dem Hintergrund des Canyons seiner Arbeit nachging.
Im Display betrachtete sie die Ausbeute, steckte die Kamera wieder ein und ließ sich zufrieden auf einen großen Felsblock sinken. Besser, sie machte es sich bequem, es sah aus, als würde Rey noch einige Zeit brauchen, bis er seine Aufnahmen beendet hatte. Sie streifte sich die Träger des Rucksacks von den Schultern und stellte ihn neben den Felsen. Ein Bein angewinkelt, stützte sie ihr Kinn auf das Knie und genoss die Sonne, die langsam die Kühle der Nacht vertrieb. Ihr Blick glitt über die in verschiedenen Rottönen leuchtenden Felsen, die schroffen Vorsprünge und Plateaus, die sich plastisch gegen den tiefblauen Himmel abhoben.
Ja, sie konnte durchaus verstehen, warum Rey dieser Landschaft verfallen war und mit dem Naturfilmen begonnen hatte. Es juckte ihr selber in den Fingern, diese wunderbare Stimmung einzufangen, aber sie hatte ja noch reichlich Gelegenheit dazu. Außerdem genoss sie es, Rey zuzuschauen, dessen Begeisterung sie regelrecht fühlen konnte.
Rey runzelte die Stirn. Irgendetwas hatte er vergessen, aber was? Er richtete sich langsam auf und blickte um sich. Seine Augen weiteten sich, als er Laurel auf dem Felsblock entdeckte. Oh, verdammt, er hatte tatsächlich vergessen, weshalb er hierhergekommen war. Er schaltete die Kamera aus und ging zu Laurel hinüber. Da sie wieder eine Sonnenbrille trug, konnte er nicht erkennen, ob sie ihn beobachtete oder vor sich hin döste. Auf jeden Fall sah sie völlig entspannt aus, wie sie da auf dem Felsen hockte. Als er neben sie trat, wölbten sich ihre Mundwinkel zu einem amüsierten Lächeln.
Sie rückte den Rucksack zur Seite, um ihm Platz zu machen, dann nahm sie seine Hand. »Es ist wunderschön hier.«
Reys ließ seinen Blick kurz über das Panorama schweifen, dann kehrte er zu ihr zurück. »Ja. Ich war schon immer von der Gegend fasziniert.« Wärme stieg in seine Wangen. »Was du vermutlich schon bemerkt hast.«
Laurel lachte. »Der Gedanke ist mir gekommen, ja.«
»Entschuldige, dass ich dich einfach so allein gelassen habe. Eigentlich habe ich die Landschaft schon bei jedem Wetter, jeder Stimmung, jeder Jahreszeit
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