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Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Samarkand Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Politycki
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Kessel, randvoll mit der frischgemolkenen Morgenmilch. Die Milch warf Blasen, eine Kanne aus Aluminium stand bereit, ein gutes Dutzend weiterer Behältnisse, darunter Ölkanister aus gelbem Plastik. Vom Tal her hörte man einen Esel schreien.
    Eiskalt das Wasser des Bachs, ein Schock auf der Haut, ein Schmerz an den Zähnen. Auf dem Rückweg entlang der leeren Wallanlagen der knorrig kleine Baum, in seinem Schatten der Schäfer. Während Kaufner näher kam, band er gerade eine Ziege vom Stamm, die unbeirrt weitergraste. Er griff sie an einem ihrer Hörner, hob sie mit Schwung vor seinen Bauch, band ihr die Beine zusammen. Die Ziege wehrte sich nicht, meckerte nicht. Schon hielt er ihr mit der Linken Augen und Ohren zu, damit sie vom Tod überrascht werde. Ein schneller Schnitt in den Hals, sogleich hob ein Zappeln an, ein Schnaufen, das Blut lief in eine Erdkuhle, die sich rasch füllte. Kaufner wollte sich an seinem Wolfszahn festhalten, hatte er das nicht bereits erlebt?
    Immerhin hatte er heute nicht gezuckt, sich blamiert. Noch war die Ziege nicht ganz tot, da schnitt ihr der Schäfer ins Hinterbein, pustete in den Schlitz, auf daß sich das Fell blähe. Wie Kaufner zu einer Begrüßung ansetzte, nickte ihm Nazardod gerade mal zu, mehr Zeit hatte er für ihn nicht. Einer seiner beiden Buben kam mit einer verrosteten Schüssel gelaufen; sowie er sie abgestellt hatte, setzte er gleichfalls an, der Ziege unters Fell zu blasen. Prüfend schlug sein Vater auf den prall aufgepumpten Balg des Tieres. Ein kurzer Schnitt am After, die Luft zischte wieder unterm Fell heraus, rund um die Oberschenkel ließ es sich jetzt mit einem kleinen Messer leicht vom Fleisch lösen. Auch diesmal wurden die Unterschenkel am Knie abgeschnitten, der Bub hielt dazu immer am Huf fest, auch diesmal kamen zwei pralle Hoden zum Vorschein, wurde der Kopf abgetrennt. Jetzt tauchten lautlos die Hunde auf, um die Abfälle zu beschnüffeln und das Blut aus der Erdkuhle zu trinken. Nazardod hängte die Ziege an ihren Hinterbeinen im Baum auf, das Blut tropfte aus dem Hals in die Schüssel. Mittlerweile war auch ein Huhn gekommen und sah aufmerksam zu, ob es da oder dort etwas erpicken könne.
    Sodann wurde das restliche Fell mit bloßen Händen abgerupft und der Wulst am Körper Stück für Stück von Vater und Sohn heruntergezogen. Zwischendurch trank Nazardod vom Blut, kostete vom rohen Fleisch. Als er Kaufners Blick bemerkte, lachte er ihn aus, das sei gesund. Die Ziege sei erst ein Jahr alt, da schmecke sie am besten. Im nächsten Moment wurde er jedoch wieder ernst und geschäftig, bis er dem Tier das Fell endgültig übern Halsstumpf herunter- und abgezogen hatte. Kaufner sah alles überdeutlich wie im Traum, er hatte es längst erlebt und gehörte jetzt gar nicht mehr dazu – oder nur mehr sowenig wie das Fell, das ausgebreitet am Boden lag.
    Das Aufschneiden des Halses, das Verknoten der Speiseröhre. Das Aufschneiden des Bauches, das Auslösen der Innereien. Das Zerteilen des Fleisches. Das Einrollen von Darm, Magen, Lunge, Leber, Luftröhre und Fleisch ins Fell. Alles in allem waren vielleicht zehn Minuten vergangen, schon eilte der Bub mit dem Fellbündel zur Küche.
    »Wenn du eine Ziege schlachtest, dann schlachte die Ziege.« Nazardod wusch sich nicht einmal die Hände, jetzt begrüßte er seinen Gast: »Wenn du plaudern willst, dann plaudere. Wollen wir frühstücken?«
    Kaufner war sich nicht so sicher. In der Schäferhütte war es mittlerweile angenehm warm, der Gestank hatte etwas anheimelnd Vertrautes. Es gab Joghurt in allen Konsistenzen, Reifungsstadien und Mischungsverhältnissen (Ziege, Kuh), dazu Kartoffelpuffer, alte Schokolade.
    »Du hast Fieber gehabt.« Nazardod brach Brot, schenkte Tee nach, schob die verschiedenen Joghurtschüsseln näher zu seinem Gast. »Aber Zaragul hat das Fieber weggesungen.«
    Vom Streicheln und Flüstern sagte er nichts.
    »Ihr alle schlaft schlecht bei mir, weil ihr schlecht träumt. Und ihr träumt schlecht, weil ihr wißt, daß ihr sterben werdet.«
    Von den Felsen und den dunklen Träumen, die sie hervor riefen, wollte er heute nicht reden. Ebensowenig von den zahlreichen Namen in den Stützbalken. Januzaks Einkerbung sah recht frisch aus; als Kaufner den Schäfer direkt darauf ansprach, zuckte der nur mit den Schultern. Wahrscheinlich erinnerte er sich aus Prinzip an niemanden, der in seiner Hütte genächtigt, und lebte deshalb weiter.
    »Bist du sicher, daß du trotzdem heute schon

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