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Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Samarkand Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Politycki
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Usbekisch, drückte seine Genugtuung darüber aus, daß Usbekistan auf den Weg zum Gottesstaat zurückgefunden habe, fürderhin werde der Allmächtige seine schützende Hand über das Land halten, das Reue gezeigt und Bereitschaft zur Umkehr. Er schenkte dem usbekischen Präsidenten eine Gebetskette, die schon durch die Finger von Mohammeds Schwiegersohn Ali geglitten sei.
    Dagegen fiel selbst die Tochter des Präsidenten heute ab, die danach ans Mikrophon durfte. Sie zeigte für ihre Verhältnisse ungewohnt wenig Bein und Dekolleté, sang ihren neuesten Schlager, »Der Soldat ist die Blume der Gesellschaft«, seit Wochen war er überall in der Stadt zu hören. Auf der anschließenden Pressekonferenz, ebenfalls mehrfach im Fernsehen zu verfolgen, betonte jeder das friedliche Koexistenzrecht der Völker und verkündete, daß man noch heute abend, in Taschkent, einen Beistands- und Bündnispakt schließen werde. In einem Nebensatz wurde das im Lande verbliebene NATO -Kontingent zum Abzug aufgefordert. Ab sofort seien wieder alle Moscheen geöffnet für jedermann und zu jeder Zeit.
    Bevor die Kommentatoren zu weitschweifigen Spekulationen ansetzten, »was die neue Koalition mit Iran für das turkstämmige Usbekistan bedeutet«, sah man den Ayatollah, wie er, schon auf der Rückfahrt zum Flughafen, das Protokoll mißachtend, dem Heiligen in der Taschkentstraße seine Aufwartung machte. Selbst Kaufner wurde blitzartig klar, daß künftig auch andere Derwische hier wieder geduldet, wahrscheinlich sogar von Staats wegen hofiert würden. Anschließend teilte der Ayatollah den Reportern mit, er habe den Heiligen nach dem Mahdi gefragt, um von der Art und Weise, wie er über ihn und dessen bevorstehende Wiederkunft auf Erden dachte, Zustand und Rang seiner Erleuchtung abzuschätzen. Der Heilige habe ihm schließlich geantwortet:
    »Die Farbe des Wassers ist die Farbe des Glasgefäßes.«
    Ein Satz, der in den Teehäusern Samarkands zum geflügelten Wort werden sollte. Ausgiebig ruhte die Kamera auf den Wolken an Staren, die seit Tagen den Himmel über Samarkand verdunkelten, jede ein hologrammatisches Kunstwerk für sich, eine elliptisch sich dehnende Kugel, die jählings in alle Richtungen zerplatzte, spiralförmig erneut zusammenstrudelte, zum Winkel ausschwärmte, phalanxartig auf den Betrachter zusauste. Aber kein einziger der Vögel fiel dabei zu Boden. Was immer das zu bedeuten hatte für den Heiligen, den Ayatollah und das Schicksal des gesamten Landes. Waren Tag und Stunde noch immer nicht gekommen? Mochten sich die Kommentatoren darüber den Kopf zerbrechen, Kaufner packte den Proviant in seinen Rucksack, die Straßen waren wieder freigegeben. Als der ehemalige KGB -General am
Atlas Guesthouse
vorfuhr, gelang es Shochi, Kaufner den Weg im Hoftor zu vertreten.
    Ja, sie habe blutige Träume gehabt. Und wisse schon, daß er davon nichts hören wolle. Deshalb sei sie auch gar nicht hier. Sondern um ihm die Wahrheit zu sagen.
    Nun?
    Sie trug einen weißen Rock, auf dem in großen Buchstaben
Versice
stand. Die Morgensonne lag auf ihrem schwarzen Haar und leuchtete, dann wischte sie sich das Licht aus dem Haar, und die großen Ohrringe, die sie neuerdings trug, gerieten ins Schwingen. Sher winkte aus der Loggia, wo die frisch angelieferten Sandelholzstämme lagerten und ihres kostbaren Duftes wegen besucht wurden mußten.
    Die Wahrheit. Shochi wand sich, sie hatte Probleme damit. Jetzt, da Kaufner tatsächlich fortwolle, könne sie diese nicht länger für sich behalten. Es sei nämlich … Es sei gar nicht Odina gewesen, der gebracht worden, im Herbst, um hinter verschlossenem Hoftor zu sterben.
    Nicht Odina? Kaufner sah ihn sofort wieder, der damals auf der Trage vor ihm gelegen. Hörte seinen stillen Schrei. Immerhin, Odina war es also nicht gewesen. Aber wer dann?
    Inzwischen winkte auch Jonibek. Seit seinem Schulabschluß hatte er anhaltend Angst vor der Arbeit, dieser Tage mußte er seinem Vater zumindest mal beim Überwachen der Bautätigkeiten beistehen. Dilshod und Firdavs saßen mit raspelkurz geschorenen Schädeln neben den Sandelholzstämmen; seitdem man ihnen vor wenigen Tagen bei der Polizei eine »ordentliche Frisur« verpaßt hatte, waren sie noch stiller geworden. Auch das hatte ihnen Shochi damals nämlich geweissagt, nach der Beerdigung des Hundes, und daß es »dann nicht mehr lang dauern« werde. Zwei Todgeweihte, Shochi hätte auf ihrem Weg zur Hochzeitstruhe durch sie hindurchschreiten können.

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