Samstags, wenn Krieg ist
heute. Man konnte sich nachts alleine auf die Straße trauen. Da wurde keine Frau belästigt. Es herrschte Ordnung und Disziplin. Die Irren saßen hinter Gittern, wo sie hingehören. Die Türken waren in der Türkei. Und die Juden so klein mit Hut.“
„Was hast du denn gegen die Juden?“
„Gas.“
Wo gibt es denn heute so was noch, dass die Jungen den Alten zuhören? Wo? Da kann man lange suchen. Aber die Ichtenhagener Ultras sind ordentliche Kerle. Sangesfreudig und trinkfest.
Sie wirken aufgekratzt auf Willi. Sie haben etwas gemacht. Er weiß es sofort. Einen Türken verhauen? Die Drecksasylanten aus der Fußgängerzone gejagt?
Na, sie werden es ihm schon erzählen. Er schmeißt erst mal eine Runde und führt die „Froinde“ nach hinten.
„Heute ohne Mädchen?“
„Richtige Reenies gibt es in Ichtenhagen nicht“, sagt Wolf und es klingt zwar vorwurfsvoll, aber auch so, als würde es sich bald ändern.
Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg, denkt Wolf. Bald wird uns jeder kennen, und dann kommen die Fans. Die Beifallklatscher. Die Mitläufer. Und die Mädchen gibt es dann massenweise. Richtige Reenies, die einen deutschen Mann zu schätzen wissen und die lieber krepieren würden, als es mit einem Ausländer zu treiben. Richtige Reenies, mit Knackärschen und Schenkeln wie Schraubstöcke.
Siggi hilft Willi, die Halbliterkrüge reinzutragen.
„Lass nur, Wotan. Ich mach das schon.“
Siggi. Immer hilfsbereit.
Wolf ist immer noch sauer auf Siggi. Wegen Yogi.
Siggi bringt Wolf das erste Bier. Aber damit hat er gar nichts gutgemacht. Das erste steht Wolf zu. Immer.
„Kommt Renate noch?“, raunt Wolf.
„Glaub nicht“, sagt Siggi. „Sie hat wohl was Besseres vor.“
Willi mit seinem gigantischen Bauch, auf dem er bequem ein Glas abstellen kann, trinkt mit.
„Hat jetzt jeder?“
„Also. Zur Mitte, zur Titte, zum Sack. Zack! Ex!“
Das Gluckern von Bier. Siggi trinkt zu schnell. Er fürchtet, als erster fertig zu sein. Eigentlich wäre es ein Sieg, aber Siggi will Wolf nicht provozieren. Bisher hat Wolf noch immer sein Glas als erster leergezogen.
Siggi schielt zu Wolf. Wolf zu Siggi. Außer ihnen gibt es nur noch einen wirklichen Kampftrinker: Wotan. Aber der läuft außer Konkurrenz.
Mit einem letzten Blubbern gurgelt der Bierrest in Wolfs Hals wie Schmutzwasser in einem überfüllten Gulli.
Wolf knallt seinen Krug auf den Tisch. „Aaaah!“
Nacheinander schlagen die anderen Gläser auf die Holzplatte. Es sind höchstens drei Sekunden Zeitabstand zwischen dem ersten und dem letzten.
„Noch eine Rutsche?“, fragt Willi und wischt sich den Schaum vom Oberlippenbart.
„Blöde Frage!“, lacht Wolf. Dann geht er an Willi vorbei zur Theke. „Wir waren heute den ganzen Abend hier. Klar?“
„Klar“, nickt Willi und zwinkert den anderen komplizenhaft zu. Er weiß nicht, was sie wieder angestellt haben. Aber er wird sie decken.
Jetzt stimmen alle an. „Wotan, wir danken dir, für diese Runde hier, wir danken dir. Wenn du noch eine gibst, bist du noch mal so lieb …“
Als Wolf durch den Kneipenraum geht, sehen die anderen Gäste hinter ihm her. Bei dem Grauhaarigen, Kurt Schnee, hat Wolf mal gearbeitet. Drei Wochen im Lager. Dann flog er raus. Angeblich wegen Unzuverlässigkeit, Unpünktlichkeit und Alkohol während der Arbeitszeit. In Wirklichkeit, weil er eine Schlägerei mit den Pakistanis hatte.
Wolf lässt sich doch nichts vormachen. Er weiß Bescheid. Er wollte nicht länger zusehen, wie Kurt Schnee illegal billige Asylanten beschäftigte. Die arbeiteten für fünf Euro die Stunde. Die ganz doofen für drei. Mit einem fing es an. Am Ende waren es schon fünf.
„Ich scheiß Sie an“, drohte Wolf.
Zuerst flogen die Pakistanis und dann er. Er könnte wetten, dass die inzwischen wieder dort arbeiten. Wahrscheinlich für zwei fünfzig die Stunde.
Drei Tage lang hat Wolf das Werk beobachtet. Zu Beginn und zum Ende jeder Schicht stand er am Tor und guckte, wer reinging und wer rauskam. Aber Kurt Schnee war vorsichtig geworden. Er lieferte keine Beweise gegen sich.
„Na“, frotzelt Wolf ihn an, „schlafen die Abdullahs jetzt bei Ihnen oder buddeln sie sich wie Maulwürfe ins Innere?“
Kurt Schnee tut, als hätte er das nicht gehört.
Willi kommt.
„Lass meine Gäste zufrieden.“
„Ach.“ Wolf winkt ab.
Er steht jetzt hinter der Theke und wählt eine Nummer. Willi hat das nicht gerne. Ja, wenn die Jungens mal ein Bier an einen Tisch tragen, gut. Aber hinter
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