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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
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Zurechtweisung nicht wegstecken würde. Er ist dafür zu emotional. Sein Hass würde sich letztendlich sogar gegen die Partei wenden.
    Knut Feddersen hört Max tönen: „Die haben mehr Bullen in der Partei, als wir hier auf der Weide!“
    Wolf gibt ihm recht und lässt dabei seine Faust auf das Dach des Audi knallen, in dem die zwei jungen Männer sitzen.
    Der eine verbirgt seinen viel zu großen Fotoapparat samt Teleobjektiv unter der Jacke. Der andere greift zu seiner Dienstpistole, zieht sie aber nicht.
    „Die deutsche Polizistenpartei!“, spottet Wolf. „Mit denen macht man keine Revolution, und eine nationale schon gar nicht.“
    Jetzt ist Dieter mit dem Bier endlich bei ihnen. Sie stoßen die dicken Gläser zusammen. „Zur Mitte. Zur Titte. Zum Sack. Zack, zack. Ex!“
    Stöhnend ziehen sie die Krüge leer. Dann deutet Dieter mit dem Kopf nach hinten auf den Audi: „Das sind doch die zwei aus dem Steinbruch.“
    „Ja. Und jetzt sind sie reif“, verspricht Wolf.
    „Ich wusste es!“, lacht Dieter. „Heute Nacht passiert doch noch etwas.“
    Sie stecken die Köpfe zusammen. Max schleudert sein leeres Bierglas nach hinten auf die Straße. Es zerplatzt mit einem Knall.
    Die anderen wollen es ihm gleichtun. Siggi möchte seines auf den Audi werfen. Er ist keine fünfzig Meter weit weg. Aber Wolf hält seinen Arm fest und schüttelt den Kopf.
    „Rache muss man kalt genießen.“
    Sie steigen alle in den alten Opel von Max. Jürgen lässt ein Bein aus dem Fenster hängen. Er tut so, als sei es ihm zu voll. In Wirklichkeit findet er es nur besonders lässig.
    Der Audi folgt ihnen mit einigem Abstand, genau wie sie es erwartet haben.
    Wolf verteilt eine Runde Zigaretten. Camel ohne. Obwohl er eigentlich lieber deutsche Zigaretten raucht.
    Er sieht sich nach dem Audi um und atmet beim Sprechen Rauch aus: „Ihr seid so berechenbar. Wenn ihr uns nie überrascht, werden wir euch heute mal überraschen.“

46
    Josef Schmidtmüller holt seine Frau von der Arbeit ab. Natürlich hätte sie freibekommen, wenn sie wirklich darauf bestanden hätte. Nach dem tragischen Tod ihrer Tochter signalisierte jeder Verständnis. Aber das Leben muss weitergehen, denkt sie.
    Die Arbeit lenkt sie vom Grübeln ab und sie nutzt jede Chance, aus der Bude rauszukommen.
    Früher hätte sie das Wort „Bude“ nie auf ihr Einfamilienhaus angewendet. Sie spricht es auch heute noch nicht aus, aber sie denkt es schon, und das ist der Anfang. Immer mehr beginnt sie, ihr Familiengeflecht als Gefängnis zu empfinden. Ein selbstgebautes.
    Sie tut alles, damit es nach außen schön aussieht. Sie steht unter dem Zwang, Glücklichsein demonstrieren zu müssen. Erst jetzt, da sie durch den Tod ihrer Tochter traurig sein darf, ohne es erklären zu müssen, spürt sie, dass der Schmerz und die Trauer die jetzt herauskommen, älter sind als Renates Tod.
    Herr und Frau Schmidtmüller hören Yogis Hämmern und Brüllen schon von draußen.
    „Er hat ihn einfach eingesperrt!“, sagt Schmidtmüller vorwurfsvoll zu seiner Frau. Sie hört auch mitschwingen: Warum musst du ausgerechnet jetzt arbeiten?
    Er hat es nicht gesagt, aber gedacht, und darum lag es im Klang seiner Stimme. Er weiß, dass sie mitarbeiten muss. Sonst könnten sie das Haus nie abbezahlen. Auch Siggi leistet seinen Beitrag.
    Ja, wenn sie aus Einsicht in die Notwendigkeiten arbeiten würde, wäre alles für ihn in Ordnung. Aber sie tut so, als würde es ihr in diesem Scheißladen Spaß machen.
    Man verwirklicht sich bei der Arbeit nicht selbst. Man verdient dort Geld. Man tauscht Zeit gegen Münzen. Mehr nicht, denkt er grimmig.
    In Wirklichkeit ist er eifersüchtig auf ihren Chef. Nicht, weil der sie je angefasst hätte, nein, weil sie so nett von ihm spricht. Ja, wenn sie wenigstens einen bösen, polternden Choleriker als Chef hätte, dann könnte Josef Schmidtmüller sie abends trösten und sagen: „Halte durch. Es ist ja nicht mehr für lange. Bald haben wir es geschafft.“ Aber wenn sie ihm von den italienischen Anzügen vorschwärmt, die ihr Chef trägt, dann krampft sich sein Magen zusammen.
    Elke Schmidtmüller antwortet eigentlich auf den unausgesprochenen Vorwurf ihres Mannes. Um sein Einverständnis zu erzielen, richtet sie die Stoßrichtung des Satzes gegen Siggi aus: „Er will erzwingen, dass ich aufhöre.“
    Schmidtmüller nickt. Wenn Siggi es tut, braucht er es nicht zu machen. Er wird sie später dazu bringen, woanders zu arbeiten, denn das verdammte Geld brauchen sie

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