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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
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davon benetzt wird, beginnt Yogi zu jammern.
    Diesmal sind Ingeborg Neu und Petra Freitag fast gleichzeitig bei ihm. Empfangen werden sie vom Hall eines irren Lachens.
    Sie nehmen ihm die Puppe weg. Seine Finger sollen verbunden werden. Yogi versteht das Wort „Spritze“.
    Er versucht, abzuhauen. Er schafft es aber nur bis zu einem Fensterkreuz. Er klettert daran hoch. Eine Blutspur, feine Tropfen auf dem frisch gebohnerten Flur, verrät ihn.
    Er wird „stillgespritzt“, wie der Neurologe Pfirsich es nennt und dann erst verarztet.
    Für Pfirsich sind alle menschlichen Gefühle nichts weiter als Reaktionen auf chemische Prozesse. Mit dem richtigen Medikament kann man alles erreichen, denkt er. Man kann Schmerzen bekämpfen, Glücksgefühle herbeiführen, Traurigkeit, Euphorie und Größenwahn. Hemmungen lassen sich lösen, und er rechnet fast schon in den nächsten Jahren mit der Entwicklung einer Orgasmuspille, die die Welt revolutionieren wird. Ehen werden entlastet. Bordelle geschlossen und AIDS hat keine Chance mehr. Jedem einen Superorgasmus aus dem Pillendöschen.
    Er redet nicht gern darüber. Aber es ist sein geheimes Hobby. Er hat eine ganze Bibliothek zum Thema Aphrodisiaka gesammelt.
    Die Psychologen, gerade die Damen und Herren Gestalttherapeuten, sind für ihn nur lächerliche Clowns, die auf einem längst abgestorbenen Zweig der Geschichte sitzen und durch Gespräche einen toten Baum dazu bringen wollen, noch einmal zu erblühen.
    Im Grunde glaubt er, Yogi mit seiner Spritze erlöst zu haben.

44
    Vera Bilewski rührt in ihrem sumpfigen Kaffee. Sie hat zwei Vitamintabletten geschluckt. Sie müsste Energie für den ganzen Tag haben, wenn der Beipackzettel nicht lügt, aber sie fühlt sich schlaff und urlaubsreif.
    Vera sitzt mit dem Rücken zur Glastür. Sie bemerkt nicht, dass jemand ganz nah an die Milchglasscheiben herantritt.
    Sie hat sich auf diese zwei Stunden alleine im Büro gefreut. Am liebsten würde sie ihre Tarotkarten legen, aber sie will sich nicht zum Gespött der Kollegen machen. Hier kann jeden Moment jemand hereinkommen.
    Sie nimmt die Karten zögernd in die Hand. Da geht die Tür auf.
    Betont lässig steht Wolf Kleinhaupt im Rahmen. Er hat eine Dose Bier in der Hand. Mit einem Schubs lässt er die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
    Vera wischt die Karten in eine Schublade.
    „Können Sie nicht anklopfen?“
    Wolf grinst. „Ich hab ‘ne Einladung. Wolf Kleinhaupt.“
    „Sie haben einen Termin für morgen, elf Uhr.“
    „Da kann ich nicht.“
    Vera deutet auf dem Vernehmungsstuhl und macht eine einladende Geste. Bitte schön, denkt sie, wenn er schon mal da ist, warum nicht?
    Die Art, wie er körperlich anwesend ist, passt ihr nicht. Sie hat etwas Provozierendes an sich.
    „Herr Kleinhaupt“, beginnt Vera Bilewski, „wo waren Sie Samstagnacht zwischen dreiundzwanzig Uhr und zwei Uhr morgens?“
    Sie glaubt, ihn damit einschüchtern zu können. Je konkreter Fragen sind, um so schwammiger werden meist die Antworten. Sie kennt das Spiel. Wer so gefragt wird, der vermutet, dass er in Bedrängnis ist. Die meisten Menschen werden dann kleinlaut. Nicht so Wolf Kleinhaupt.
    „Komm, Mutter, du hast mich doch nicht wirklich eingeladen, um das herauszufinden. Die anderen haben dir doch längst alles erzählt. Außerdem habt ihr den Mörder doch.“
    Vera schluckt trocken. „Frau Kommissarin bitte und dann Sie“, sagt sie hart. „Ich wüsste nicht, dass wir schon miteinander aus waren.“
    Unbeeindruckt grinst Wolf weiter. „Das ist ein Fehler, Mutter, glaub mir.“
    Wütend verschränkt Vera die Arme vor der Brust und staunt ihn an, als könnte sie es nicht glauben.
    Er fährt fort: „Du hast mich eingeladen, weil du scharf auf mich bist, stimmt’s?“
    Er streckt die Zunge heraus und lässt sie vor den Lippen rauf und runter flattern.
    „Dir muss es mal wieder einer so richtig besorgen, häh? Jede Pore von dir schreit danach. Aber eins sag ich dir gleich: ohne Gummi mach ich’s nicht.“
    Ihr Kaffee landet voll in seinem Gesicht.
    Er wischt sich den braunen Saft ab wie Lippenstift nach ein paar feurigen Küssen. Er scheint es zu genießen. Die Haarspitzen trocknet er nicht ab. Von seinem rechten Ohrläppchen tropft es auf die Bomberjacke.
    Vera packt ihn, reißt ihn vom Stuhl, drückt ihn an die Wand und faucht: „Du glaubst, du darfst alles, was? Für dich gibt es keine Regeln und keine Gesetze. Du darfst Leute beleidigen, sie verprügeln, ihre Gräber schänden, ihre

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