Samtheiß
fünfunddreißig Handtüchern, zehn Pyjamas, fünfundzwanzig Nachthemden und einem großen Sortiment Hemden, Hosen, Kleidern und Pullovern aus. Um die Mittagszeit war sie erschöpft, aber sie blickte mit Stolz auf die sauber gefalteten Wäschestapel. Ihr gefiel der Gedanke, daß die Bewohner des Heimes dank ihrer harten Arbeit saubere und frische Wäsche hatten.
In der Mittagspause ging sie in den Speisesaal, um Minnie zu besuchen, eine entfernte Kusine von Vaters Seite, die im Heim lebte, seit vor zehn Jahren ihr Mann gestorben war. »Wie geht es dir?« fragte sie und legte ihren Arm und Minnies magere Schultern.
»Oh, morgen ziehe ich nach Hause. Mein Mann kommt und holt mich.«
»Aber wir werden dich alle sehr vermissen, Minnie!« Josie lächelte sie mit glänzenden Augen an. »Möchtest du nicht bei uns bleiben?«
Minnie lächelte zurück, ihr Kopf wackelte dauernd von einer Seite auf die andere, und sie nahm Josies Hand. »Wie geht es Joseph? Nein, so ein netter kleiner Mann! Ich hoffe, ihm geht es gut?«
»Joseph ist vor fünf Jahren gestorben. Erinnerst du dich?«
Minnie blickte sie an und drehte dann schnell den Kopf zur Seite, aber für einen kurzen Augenblick sah Josie die Furcht in ihren Augen. »Oh, aber ich wette, du hörst das zum erstenmal! Wie solltest du dich auch daran erinnern, wenn dir nie jemand gesagt hat, daß Joseph tot ist!«
Minnies Augen blickten wieder in Josies. »Nein, niemand hat es mir je erzählt. Joseph ist also tot. Das ist wirklich schade.« Tränen liefen ihre Wangen herunter und fielen auf ihre dünnen, trockenen Hände.
»Es ist schon in Ordnung«, sagte Josie sanft und wiegte Minnies Hände in den ihren. »Er war zwei Jahre lang krank und manchmal jammerte er den ganzen Tag. Er wollte eine Wärmflasche, und ich brachte sie ihm, zehn Minuten später wollte er eine Tasse Tee, und als ich sie ihm brachte, sollte ich ihm die Stirn massieren, weil er Kopfschmerzen hatte. Er hat mich den ganzen Tag auf Trab gehalten. Er ist jetzt glücklicher, und ich bin erleichtert. Er war ein guter Mann.« Die Erinnerung daran, wie er ihren großen Körper immer ritt wie ein kleiner Ziegenbock, stand ihr plötzlich lebhaft vor Augen, und sie lachte laut.
Minnies Augen fingen an zu funkeln, und sie lächelte, als könnte auch sie Joseph auf und ab hüpfen sehen. »Mein Mann holt mich morgen, und ich hoffe, er bringt mich sofort ins Schlafzimmer. Oh...! Ich hätte das nicht sagen sollen«, rief sie dann, und ihr blasses Gesicht wurde rot. »Du mußt mich für unmöglich halten.«
»Wenn du unmöglich bist, dann bin ich eine hoffnungslose Sünderin!« Josie lachte so laut, daß die anderen Patienten im Speisesaal sich umdrehten und lächelten, als wollten auch sie sich mit Freuden in die ewige Verdammnis stürzen.
Als Josie nachmittags um halb vier nach Hause kam, öffnete sie die Tür, und der süße, außergewöhnlich verlockende Duft von Apfelkuchen empfing sie. »Hallo!« rief sie noch in der Tür. »Wo ist mein Süßer?«
Langsam, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, kam Robert aus dem Wohnzimmer in die Küche. »Da bist du ja!« rief sie. »Komm und gib mir einen dicken Kuß!« Er schlurfte langsam vorwärts, aber als er noch mehrere Schritte entfernt war, packte sie ihn und küßte ihn auf Mund, Stirn, Hals, Wangen und wieder auf den Mund. Er stand schwankend in ihren Armen. »Hab ich dir gefehlt?« fragte sie immer wieder.
»Ja, natürlich. Das weißt du doch!«
»Und du hast mir einen Apfelkuchen gebacken!«
»Jawohl! Ich war nicht umsonst fünfzig Jahre lang Küchenchef! Ich habe auch Tee gekocht. Möchtest du?«
Sie blickte auf den Tisch, wo an dem einen Ende zwei Teller und saubere weiße Servietten warteten, und sie lächelte ihn mit schimmernden Augen und glühendem Gesicht an. Niemand in ihrem ganzen Leben war je so nett zu ihr gewesen. »Oh, mein Schatz!« rief sie. »Sehr gerne!«
Später machte sie das Abendbrot: fette polnische Würstchen ringelten sich auf dem Teller, die Kartoffeln waren dick geschnitten und knusprig braun gebraten, die frisch gedünsteten Karotten in weißer Sahnesauce. »Gib mir nicht viel - nur einen Bissen«, sagte Robert. »Ich bin nicht sehr hungrig.«
»Das sagst du jeden Abend!« Sie häufte seinen Teller fast so voll wie ihren. Und wenn er dasaß und mit den Kartoffeln herumspielte, nahm sie ein Stück Wurst auf die Gabel und hielt sie an seinen Mund. »Iß!« befahl sie. »Du bist jetzt schon zu dünn.« Er putzte seinen
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