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Samtpfoten im Schnee

Samtpfoten im Schnee

Titel: Samtpfoten im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Clare
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wahrhaftig erwartet, Alexander würde lammfromm daneben stehen und zulassen, dass ein gemeiner Dieb Grace einzuschüchtern versuchte? Boswan konnte von Glück sagen, dass er ihm nicht den dürren Hals umgedreht hatte. Denn das war sein erster Gedanke gewesen, als er das Arbeitszimmer betreten hatte.

    Nur das Wissen, dass der örtliche Magistrat verpflichtet gewesen wäre, sich mit ihm zu befassen, weil er binnen des ersten Monats seines Aufenthaltes in Kent Blut vergossen hätte, hatte Alexander davon abgehalten. Letzten Endes blieb ihm nur zu hoffen, dass seine Drohungen ausreichen würden, Boswan zu überzeugen, dass es eine sehr ungesunde Angelegenheit für ihn wäre, in der Nähe von Chalfried zu bleiben.
    »Wohin gehen wir?«, fragte Grace und unterbrach sein dunkles Grübeln.
    Alexander schüttelte den Kopf. Er würde nicht zulassen, dass Boswan ihm diesen flüchtigen Augenblick verdarb, der ihm mit seiner Verlobten vergönnt war.
    »Es ist nicht mehr weit«, versprach er. Er führte sie auf den Wald zu und blieb dann vor einer kleinen Tanne stehen.
    »Wir sind da.«
    Grace schaute ihn fragend an. »Das ist ein Baum.«
    »Nein«, korrigierte er. »Es ist eine Jolka.«
    »Was heißt das?«
    Alexander lächelte und dachte an seine Kindheit zurück.
    Obwohl er den größten Teil des Jahres in England verbrachte, vergaß er niemals das Erbe seiner Mutter noch die warmen Erinnerungen an sein Leben in Russland. Irgendwie schien es ihm wichtig, auch diesen Teil seines Lebens mit dieser Frau zu teilen.
    »Es ist ein Baum, mit dem man das neue Jahr feiert. Wir werden ihn am Weihnachtsabend ins Haus holen und ihn mit Früchten und kleinen Figuren schmücken.«
    Ihre Augen strahlten vor Vergnügen. »Ich habe davon ge-hört. Auf Chalfried hatten wir noch nie einen.«

    »Ich möchte das Schönste an englischen und russischen Weihnachtstraditionen miteinander verbinden.«
    »Sind sie denn so verschieden voneinander?«, wollte Grace wissen.
    »Nun, zum Beispiel feiern wir Weihnachten im Januar, nicht im Dezember, auch wenn wir uns hier für das englische Datum entscheiden werden. Und man glaubt, dass es die Babuschka ist, die den Kindern die Geschenke bringt.«
    Sie legte den Kopf schräg. »Babuschka?«
    Alexander nickte. Viel mehr als den Schnee, der wieder zu fallen begonnen hatte, nahm er das strahlende Funkeln in Graces Augen wahr.
    »Man erzählt sich, dass sie sich geweigert hat, den Heili-gen Drei Königen auf ihrem Weg zum Jesuskind Beistand zu leisten, und deshalb muss sie jetzt durch das ganze Land ziehen, um das Christkind zu suchen. Und auf ihrer Reise stattet sie den Kindern ihren Besuch ab.«
    Er glaubte, eine Spur gespannter Erwartung auf ihrem Gesicht zu entdecken. »Glaubt Ihr, dass sie auch hier einen Besuch machen wird?«
    »Höchstwahrscheinlich«, versicherte er ihr.
    »Welche Bräuche gibt es noch?«
    Ihr offensichtliches Interesse amüsierte Alexander. Er hatte in den vergangenen Wochen gelernt, dass Grace einen wa-chen Verstand besaß, der sich mit einem erstaunlichen mu-sikalischen Talent paarte. Und er hatte des Öfteren gedacht, dass es einer Sünde gleichkam, dass sie sich hier auf dem Lande vergraben hatte, wo niemand ihre seltene Begabung richtig zu schätzen gewusst hatte.
    Natürlich wäre sie ohne jeden Zweifel sehr schnell verlobt gewesen, wäre es ihr möglich gewesen, nach London zu reisen. Und er wäre ihr dann nie begegnet. Es war ein Gedanke, den er als bedrückend empfand.
    Alexander verdrängte diese trüben Überlegungen. »Ein weiterer Brauch ist es, am Weihnachtstag bis zum Abend zu fasten«, beantwortete er ihre Frage. »Erst wenn der erste Stern am Himmel erscheint, wird der Tisch gedeckt und die Kutja aufgetragen.«
    Grace sprach das unbekannte Wort nach und lächelte leicht. »Wenn ich mich nicht irre, dann ist das so etwas wie ein Weihnachtspudding?«
    »Genau genommen ist es eine Gerstengrütze.«
    Unwillkürlich verzog Grace das Gesicht. »Zum Abendessen?«
    »Es ist eine sehr bedeutsame Speise«, sagte Alexander und dachte daran, mit welchem Ernst seine Großmutter ihm einst die Symbolik der Kutja erklärt hatte. »Das Korn, aus dem sie gemacht wird, steht für die Hoffnung, der Honig und die Mohnsamen, mit denen sie zubereitet wird, für Erfolg und Glück. Und alle müssen sie aus einer Schüssel essen.«
    »Wie schön«, sagte Grace, auf deren Haar sich der Schnee wie ein zarter Schleier niedergelassen hatte. »Sind das alle Bräuche?«
    »O nein. Es gibt noch etwas,

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