Samtpfoten im Schnee
hatte. Sie hatte nichts falsch machen können. Sie war eine Göttin, die behütet werden musste. Als sie ihm dann aber gehörte, verlor sie für ihn ihren Wert. Erst da hatte Meghan das Ausmaß begriffen, in welchem sie sich bei dem Versuch verloren hatte, es einem Mann recht zu machen, dem man nichts recht machen konnte.
In seinen Augen waren ihre Freunde die falschen Leute.
Ihr Geschmack sich zu kleiden war abscheulich. Ihre Interessen waren oberflächlich, ihre Meinung unwichtig. Je mehr Meghan versuchte, ihrem Mann zu gefallen, desto mehr fand dieser an ihr zu kritisieren. Kein Wunder, dass der süße, sie nie infrage stellende Stephen zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden war! Wie sehr sie ihn vermisste.
Würde dieser Schmerz jemals vergehen? Inzwischen lag der Unfall mehr als ein Jahr zurück.
Was ihren Ehemann betraf-ja, sie hatte aufrichtigen und betrüblichen Kummer über seinen Tod empfunden. Aber binnen weniger Wochen hatte sie auch begonnen, ein wachsendes Gefühl von Freiheit zu spüren - und das schlechte Gewissen darüber, so zu empfinden. Dem Schuldgefühl folgte die Wut. Meghan war wütend auf das, was Burton ihr angetan hatte; sie war wütend, dass er sich so unversehens da-vongemacht hatte; sie war wütend auf sich selbst. Doch diese Wut hatte sich allmählich aufgelöst.
Niemals wieder würde sich Meghan in die Lage bringen, einen solchen Schmerz erdulden zu müssen. Man konnte auch Vergnügen am Leben und an der Gesellschaft anderer Menschen haben, ohne dass man ihnen die Möglichkeit gab, Schmerz zuzufügen. Und genau das zu tun, hatte Meghan auch vor.
Als sie am späten Nachmittag auf Everleigh eintraf, hatten die Steine ihre Wärme schon seit langem verloren. Meghan musste nur auf Betsys rote Nase und gerötete Wangen schauen, um zu wissen, dass ihr Gesicht ebenso gerötet war.
Mit ihnen zusammen war eine weitere Kutsche eingetroffen, die jetzt vor ihnen herfuhr und schließlich vor dem Haus anhielt. Drei elegant gekleidete Reisende - zwei Damen und ein Herr - entstiegen ihr, während Meghan von ihrem Diener aus ihrer Kutsche herausgeholfen wurde. Auf der Freitreppe des imposanten herrschaftlichen Hauses ging es wie in einem Bienenstock zu, als die eingetroffenen Gäste vom Marquis, dessen Frau und dessen Bruder mit Hände-schütteln und Umarmungen sowie - wo es angebracht schien - mit in die Luft gehauchten Wangenküssen begrüßt wurden.
»Oh, Lord Justin, wie überaus erfreut ich bin, Euch zu sehen«, flötete eine der beiden weiblichen Ankömmlinge und streifte ihre Kapuze ab. Sie war jung - neunzehn oder zwanzig, so schätzte Meghan -, mit honigblondem, fast rotem Haar, bernsteinfarbenen, von dunklen Wimpern umrahmten Augen und einem Teint wie Porzellan, der völlig unbeeinträchtigt von der Kälte geblieben zu sein schien. Neben dieser Schönheit kam sich Meghan wie eine graue alte Jungfer vor.
»Miss Hamlin.« Justin erwiderte den Gruß und hieß dann das Paar in ihrer Begleitung willkommen, die offensichtlich ihre Eltern waren.
Meghan hatte sich ein wenig abseits gehalten, fühlte sich dann aber sogleich in die herzliche Umarmung Irenes eingeschlossen. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist«, be-grüßte die Freundin sie. »Ich hatte schon befürchtet, du würdest in letzter Minute absagen.«
Meghan lachte. »Was denn? Und mir dein Missfallen zuziehen? O nein, das doch nicht!«
Irene legte den Arm um Meghans Taille, während sie sie rasch ihrer Tante und ihrem Onkel vorstellte, Lord und Lady Hamlin, und ihrer Cousine Georgina. »Und Justin kennst du ja.«
»Ja. Mylord.« Meghan reichte ihm die Hand und sah ihn offen an, so wie sie es auch bei Lord Hamlin und Robert Wingate, dem Marquis von Everleigh, getan hatte. Bei keinem der anderen Männer hatte sie jedoch dieses beunruhigende Beben gespürt, das ihren Körper bei Lord Justins Be-rührung durchströmte. Sie tat es sofort als die Folge ihrer Nervosität ab. Als Meghan sich abwandte, sah sie Miss Hamlins abschätzenden Blick auf sich gerichtet.
Irene wies auf die ältere Dame, die sich während der Be-grüßung im Hintergrund gehalten hatte. »Das ist Mrs. Ferris, unsere Hausdame. Sie wird euch eure Zimmer zeigen. Ich denke, vor dem Abendessen könnt ihr alle noch ein wenig Ruhe vertragen. Wenn ihr etwas braucht, wird Mrs. Ferris sich glücklich schätzen, es euch zu bringen.« Die Haushälterin lächelte und knickste rasch, während Irene weitersprach.
»Robert und Justin, ihr kommt mit ins Kinderzimmer. Die Kinder
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