Samtpfoten im Schnee
schlimm für dich? Es tut mir sehr Leid, Meghan.«
Meghan zuckte mit den Achseln. »Die Ehe war nicht besser und nicht schlechter als viele andere in unseren Kreisen.« Sie schwieg einen Moment lang. »Aber ich werde es nicht noch einmal durchmachen.«
Und, dachte sie bei sich, schon gar nicht mit noch so einem Lebemann. Und Justin Wingate und Burton Kenwick waren in diesem Punkt von einem Schlag.
Bei diesem Gedanken wurde Meghans kurze Unterhaltung mit Irene unterbrochen, weil die Herren sich wieder zu den Damen gesellten und man damit begann, die Tische für das Kartenspiel zu richten. Meghan fand sich als Partnerin ihres Gastgebers wieder. Sie hatte Robert immer gemocht, dessen ruhige Gelassenheit so stark im Gegensatz zur anste-ckenden Fröhlichkeit seiner Frau stand. Georgina war natürlich Justins Partnerin, und Meghan vermochte nicht zu sagen, ob das auf seinen Einfluss zurückging oder auf den der jungen Dame. Vielleicht hatte Irene es arrangiert oder die Mutter des Mädchens. Wie auch immer, was kümmerte sie das?
Alles in allem ist der Abend sehr angenehm verlaufen, dachte Meghan später, nachdem sie dem Bild ihres Sohnes eine Kusshand zugeworfen und das Licht gelöscht hatte Was machte es schon, dass sie sich mehr als Beobachterin denn als Dazugehörende gefühlt hatte? Beobachter bezahl-ten das Dabeisein nicht mit Kummer und Schmerz.
Justin lehnte sich gegen die Kissen, die er am Kopfteil seines Bettes aufgetürmt hatte, und hielt Rückschau auf diesen dritten Tag seines Besuches. So weit, so gut. Joy schien im Umgang mit den anderen Kindern recht entspannt, obwohl sie sich stets am Rand der lärmenden Spiele hielt. Sie hatte es Irene bereitwillig erlaubt, sie zu umarmen. Dieses Stück Fortschritt war heute Morgen zu verzeichnen gewesen.
Als Miss Hamlin sie jedoch in die Arme hatte nehmen wollen, hatte sich Joy schüchtern abgewandt und hinter ihrem Papa versteckt.
»Komm zu mir, mein Liebling«, hatte Miss Hamlin ge-schmeichelt, »ich würde dich sehr gern in den Arm nehmen.«
Aber Joy hatte gezaudert, hatte ihre Decke umklammert und sich noch enger an ihren Vater gedrückt, der ihr über den Kopf gestrichen und gesagt hatte: »Vielleicht später, Miss Hamlin.«
Miss Hamlin hatte die Schultern gezuckt und gemurmelt:
»Ja, natürlich.«
Justin hatte angenommen, dass Miss Hamlin - nach dem Eifer zu schließen, mit dem sie ihn in das Kinderzimmer begleitet hatte - gut mit den anderen Wingate-Kindern bekannt sei. Dies schien aber nicht der Fall zu sein, denn den Jüngeren unter ihnen musste erst gesagt werden, wer die junge Dame war, und alle begrüßten sie auf zurückhaltende, wenn auch sehr höfliche Art und Weise. Miss Hamlin hatte wenig Anstrengung unternommen, sich der Zuneigung der anderen Kinder zu versichern, nachdem Joy ihre Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte.
Justin lächelte vor sich hin. Irene wandte offensichtlich ihre alten Tricks an. Seine Schwägerin war in ihrer eigenen Ehe so glücklich, dass sie es als eine Art gottgegebener Pflicht ansah, auch anderen zum ehelichen Glück zu verhel-fen. Nun, Irene, es ist dir hoch anzurechnen. Sie hatte seine Heirat mit Belinda unterstützt, hatte die Beziehung zwischen ihnen vom vagen Einverständnis zwischen den Familien bis zum Gang der beiden Hauptakteure zum Altar vo-rangetrieben. Und die Ehe hatte sich als annehmbar erwiesen. Justin war deshalb nicht abgeneigt, wieder zu heiraten - irgendwann einmal.
Vielleicht Miss Hamlin? Hmm. Eine Möglichkeit. Sie war ein wenig zu jung für seinen sonst üblichen Frauenge-schmack. Sie war über ein Jahr auf Reisen gewesen, und er erinnerte sich an sie noch als an ein linkisches, hoch aufge-schossenes Ding, dem er zum ersten Mal vor sechs, nein, vor sieben Jahren begegnet war. Und jetzt war sie hier - eine bezaubernde Schönheit, die ihn ganz offensichtlich ermutigte.
Und sollte sich in dieser Beziehung nichts fügen, nun, seine Schwägerin hatte noch andere »geeignete Kandidatin-nen« eingeladen, wie zum Beispiel Lady Helen Bly und Miss Deirdre Thompson, beides untadelige Frauen von leidlich gutem Aussehen. Und Mrs. Kenwick?
Nein. Selbst Irene würde eine derart unmögliche Verbindung nicht andenken. Zumal seine Neigung niemals in Richtung Frauen mit Intellekt gegangen war und er seine Be-dürfnisse eher der urwüchsigeren Art zurechnete. Und die entzückende und bereitwillige Miss Hamlin, die seiner Tochter gegenüber so reizende Annäherungsversuche unternommen hatte, schien sehr gut
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