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Samtpfoten im Schnee

Samtpfoten im Schnee

Titel: Samtpfoten im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Clare
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zu dieser Vorstellung zu passen.
    Meghan wusste, dass sowohl die Freundschaft als auch die Höflichkeit es ihr geboten, den Kindern der Everleighs einen Besuch abzustatten. Ebenso wusste sie, dass Irene keine dieser Mütter war, die die Aufzucht ihrer Kinder einem Kindermädchen, einer Gouvernante und einem Hauslehrer überließen, wie es in ihren Kreisen üblich war. Die Marquise spielte bei der Erziehung ihrer Kinder eine aktive Rolle, und sie war zu Recht stolz auf das Ergebnis. Und so kam es, dass Meghan am nächsten Morgen nach dem Frühstück darum bat, die Kinder zu besuchen.
    »Bist du dir sicher?«, fragte Irene zweifelnd. »Du musst dich nicht dazu verpflichtet fühlen, meine Nachkommen-schaft zu bewundern. Du wirst von ihnen wahrscheinlich ohnehin genug haben, ehe die Feiertage vorbei sind.«
    »Natürlich bin ich sicher«, schwindelte Meghan, denn sie war es ganz und gar nicht, aber dieser Besuch war etwas, was sie tun musste.
    Das >Kinderzimmer< der Everleighs umfasste genau genommen eine ganze Zimmerflucht und wies neben einem Ankleide- und einem Spielzimmer einen Unterrichtsraum auf, hinzu kam eine Reihe von Schlafstuben. Sie trafen den zehnjährigen Jason und seine achtjährige Schwester Sarah in dem gut ausgestatteten Schulzimmer an. Meghan fielen besonders die große Schiefertafel und der frei stehende Globus sowie die zahlreichen Bücher auf. Jason begrüßte seine Mutter mit einer sehr erwachsen wirkenden Verbeugung, und Sarah vollbrachte einen tadellosen Knicks. Die beiden waren damit beschäftigt, das Modell der Victory, des Schiffes Lord Nelsons, zusammenzubauen, und waren offensichtlich be-strebt, rasch daran weiterzuarbeiten.
    Irene und Meghan gingen ins Spielzimmer hinüber, das mit seinen hellen Farben und dem Überfluss an Spielsachen für beide Geschlechter zum Spielen geradezu einlud, in dem es aber ungewöhnlich still war. Das Einzige, was man hören konnte, war eine männliche Stimme. Der Marquis las eine Geschichte vor. Nein, es war nicht der Marquis, der da auf dem flauschigen Teppich in der Mitte des Zimmers saß, den Rücken der Tür zugewandt Es war Justin Wingate! Vor ihm saßen zwei kleine Jungen von acht und sechs Jahren und auf seinen gekreuzten Beinen zwei kleine Mädchen, die ungefähr im selben Alter waren - zwischen vier und fünf. Meghan kannte die beiden Jungen, Wally und Matthew, von denen Letzterer Sarahs Zwillingsbruder war. Meghan hätte die beiden kleinen Mädchen ebenso gut für Zwillinge halten können, wenn sie nicht gewusst hätte, dass eines von ihnen Rebecca war, Irenes Jüngste. Demnach musste das andere Mädchen Justins Tochter sein.
    Wally und Matthew schauten auf, als ihre Mutter und deren Freundin das Zimmer betraten. Dies wiederum erregte Lord Justins Aufmerksamkeit und ließ ihn mitten in seiner nachahmenden Darstellung eines grimmigen großen Bären innehalten. Er wollte sich erheben, als er die beiden Frauen erblickte, doch Irene legte ihm die Hand auf die Schulter.

    »Nein, bleib sitzen, Justin. Wir sind nur gekommen, um den Kindern guten Tag zu sagen. Matthew, du erinnerst dich doch gewiss noch an Stephens Mama, deine Tante Meg, nicht wahr?« Irene strahlte stolz, als beide Jungen aufstan-den, um sich formvollendet zu verbeugen. Meghans Herz krampfte sich zusammen, als sie daran dachte, dass sie einst auch Stephen solche Höflichkeiten gelehrt hatte.
    Irene strich dem einen der beiden kleinen Mädchen über den Kopf. »Das ist Rebecca - wir nennen sie Becky. Und das« - Irene wiederholte ihre Geste bei dem anderen Kind auf Justins Schoß - »das ist Justins Joy.«
    »In jeder Beziehung«, murmelte er und drückte seine Tochter rasch an sich.
    »Mädchen«, sagte Irene sanft, aber dennoch entschlossen,
    »wie begrüßt man einen Gast?«
    Die beiden Mädchen kletterten von Justins Schoß, und je-de von ihnen vollführte einen reizenden, wenn auch etwas tollpatschigen Knicks.
    Meghan lächelte und kniete sich hin, um mit den Mädchen auf einer Höhe zu sein. »Becky, du bist ja eine richtige junge Lady geworden, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe.« Becky kicherte und senkte den Kopf. »Und Miss Wingate«, sagte Meghan und reichte dem Kind die Hand, wie sie es bei einem Erwachsenen getan hätte, »ich bin sehr erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen.«
    Joy starrte sie einen Augenblick lang schweigend an, dann ergriff sie die angebotene Hand, lächelte aber nicht. Und sie blieb stumm. Sie schaute Meghan unverwandt mit großen Augen an, die ebenso

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