Samtpfoten im Schnee
auch weniger nachsichtig -, als sie bemerkte, dass Georgina Hamlin sich bei Justin Wingate eingehakt hatte, während sie zum Stall gingen. Es war Vormittag und von daher für Miss Hamlin noch recht früh am Tag, da sie bisher noch nie vor dem Mittagessen erschienen war. Meghan vermutete, dass Lady Hamlin ihrer Tochter umgehend von dem geplanten Ausflug berichtet hatte.
Meghan genoss die frostklare Morgenluft, während sie der Gruppe folgte. Auf diese Weise konnte sie zuschauen und zuhören, ohne an der Unterhaltung der anderen wirklich teilzunehmen. Doch Meghan war nicht die Einzige, die sich abseits zu halten schien. Justins Tochter Joy hatte sich von den übrigen Kindern ein wenig abgesondert. Sie hielt irgendetwas fest umklammert, das aussah wie das Stück von einer blauen Decke. Meghan fiel ein, dass sie das kleine Mädchen auch im Kinderzimmer damit gesehen hatte.
Irene hatte Meghan erzählt, dass das Kind sich weigerte zu sprechen, und welchen Grund man dafür vermutete.
Meghans Herz wandte sich der Kleinen zu - und dem Vater, der versuchte, diese schwierige Situation zu meistern.
»Komm her, Joy, Liebling!«, rief Miss Hamlin mit reizender Stimme. Sie streckte dem Kind die freie Hand hin.
»Komm, geh mit mir und deinem Papa. Wir werden gehen und uns die Kätzchen anschauen«, fügte sie hinzu und verkündete damit das Offensichtliche. Dabei schlug sie den kindlichen Tonfall an, den einige Erwachsene für angezeigt hielten, wenn sie mit Kindern sprachen.
Joy streifte Miss Hamlin nur mit einem kurzen Blick. Dann lief sie zu ihrem Vater und schaute fragend zu ihm hoch.
Er strich ihr über den Lockenkopf und sagte: »Mach das, was du möchtest, Püppchen.«
Joy lächelte ihn an und kehrte dorthin zurück, woher sie zu ihm gelaufen gekommen war.
Miss Hamlin setzte ein bezauberndes Lächeln auf. »Mein Charme scheint nicht auf alle Mitglieder Eurer Familie zu wirken, Lord Justin.«
Er tätschelte ihre Hand, die auf seinem Arm ruhte. »Versucht es nur weiter. Meine Tochter wird diesem Charme ebenso erliegen, wie auch die übrigen Mitglieder unserer Familie ihm erlegen sind.«
Miss Hamlin lachte glockenhell über diesen Inbegriff einer ungemein witzigen Bemerkung, was wiederum Meghan in ihrer Meinung bestätigte, dass dieser Mann ein Meister im Flirten war. Meghan hatte genug gesehen und wandte ihre Aufmerksamkeit den anderen Mitgliedern der Gruppe zu. Irene und Robert schienen sich über irgendetwas zu amüsieren, und Lord Travers und Miss Thompson unterhielten sich angeregt über ihr Lieblingsthema - Pferde. Mr. Layton war ein Stück weit vorausgegangen.
Plötzlich spürte Meghan, dass jemand neben ihr herging.
Sie schaute auf Joy hinunter, die sie mit ernster Miene ansah.
»Guten Morgen, Joy.«
Die Kleine legte den Kopf schräg, ohne den prüfenden Blick von Meghan zu wenden. Dann nickte sie und schob ihre winzige Hand in die Meghans.
Überrascht und unsicher über ihre eigenen Gefühle ging Meghan nur ein Gedanke durch den Sinn. Hier war ein Kind
- ein kleines Wesen - in tiefer Not, und es durfte jetzt nicht abgewiesen werden. Sie drückte sanft Joys Hand'und lächelte dem kleinen Mädchen zu. In einträchtigem Schweigen gingen sie nebeneinander her.
Als die Gruppe den Stall erreichte, schaute sich Justin nach seiner Tochter um. Als er sah, dass sie Mrs. Kenwicks Hand festhielt, zuckte er überrascht zusammen. Seine Reaktion erregte die Aufmerksamkeit der jungen Dame an seiner Seite.
»Joy?« Justin warf Meghan einen fragenden Blick zu.
»Bei uns ist alles in Ordnung, Danke, Sir.« Meghan drück-te noch einmal kurz Joys Hand, ehe das Kind sie losließ, um sich den anderen anzuschließen, die sich in den Stall drängten, der den beiden Mutterkatzen und ihren Jungen als Wohnung diente.
Mit einem innerlichen Achselzucken tat Meghan den Blick Miss Hamlins ab, in dem Abneigung zu liegen schien.
Die schöne Georgina würde doch wohl nicht von ihr erwarten, ein kleines Kind zurückzuweisen?
Bald war der Stall erfüllt vom Lachen und den Ausrufen der Kinder, als sie das Wunder neuen Lebens bestaunten.
Sieben Kätzchen tollten im Heu umher. Vier von ihnen, berichtete einer der Stallburschen, waren ungefähr drei Wochen alt, die übrigen wohl eine Woche älter. Er nahm Irene auch ihre Besorgnis, indem er ihr versicherte, dass beide Katzen und ihre Jungen daran gewöhnt seien, von den Menschen angefasst zu werden. Die Kätzchen schienen denn auch so neugierig zu sein wie ihre Besucher, wohingegen die
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