Samtpfoten im Schnee
blau waren wie die ihres Vaters. Meghan fühlte einen Stich in ihrem Herzen, als sie die tiefe Einsamkeit des Kindes in diesem Blick sah. Obwohl Joy offensichtlich sehr geliebt wurde.
»Erzähl die Geschichte zu Ende, Onkel Justin«, verlangte Wally und vertrieb damit die Stimmung des Augenblicks.
»Du darfst nicht unhöflich sein, Wally«, ermahnte Irene ihn.
»Es tut mir Leid«, sagte der Junge. »Aber es ist eine so schöne Geschichte, Mama.«
Seine Mutter schaute auf das Buch in Justins Hand und lachte. »Und ich wage zu behaupten, dass du sie erst ein Dutzend Mal gehört hast.«
Justin lachte. »Er korrigiert mich in der Tat, sobald ich etwas falsch mache.«
»Nun gut, dann werden wir euch wieder dem Geschich-tenerzählen überlassen«, verabschiedete sich Irene.
Nachdem die beiden Frauen das Zimmer verlassen hatten, stieß Meghan einen tiefen Atemzug aus. Ihr war bislang gar nicht bewusst gewesen, wie angespannt sie gewesen war.
»Siehst du, es war gar nicht so schlimm, nicht wahr?«, fragte Irene.
»Nein. Natürlich nicht. Es sind reizende Kinder.«
»Dein Stephen hätte gut zu ihnen gepasst.« Irenes Ton war gleichzeitig gleichmütig und mitfühlend.
»Ich bin sicher, das hätte er.« Meghan war Irene immer dankbar dafür gewesen, dass sie nach Stephens Tod nie auf Zehenspitzen herumgeschlichen war, wie so viele andere es getan hatten. Irene hatte sie immer wieder dazu ermutigt, ihre Gedanken und Erinnerungen auszusprechen, und schien stets genau zu verstehen, welche Art des Trostes nötig war.
»Du warst eine wundervolle Mutter, Meghan. Und für mich steht außer Zweifel, dass du es eines Tages wieder sein wirst.«
»Ja vielleicht, eines Tages«, erwiderte Meghan unbestimmt und in der Absicht, der Freundin nicht zu wider-sprechen. Denn Meghan wusste, dass es für sie keine Kinder mehr geben würde. Sie zu verlieren tat viel zu weh, um dieses Wagnis ein weiteres Mal einzugehen. Und außerdem ...
um ein Kind zu haben, müsste sie sich wieder verheiraten -
und das stand außerhalb jeder Frage.
An diesem Nachmittag trafen noch weitere Gäste ein, und Justin freute sich besonders, den Namen des Viscounts Winston Travers und Mr. Melin Laytons zu hören, als der Butler die Neuankömmlinge meldete.
»Wie ich sehe, ist Kenwicks Witwe auch hier«, sagte Travers später an dem Abend, als die drei Männer unter sich waren. Sie hatten es sich nach einem Spiel im Billardzimmer bequem gemacht und in den behaglichen Sesseln Platz genommen.
»Ja«, bestätigte Justin. »Sie und Irene sind seit Jahren eng befreundet.«
»Hegt sie wegen des Unfalls noch immer ihren Groll gegen uns drei?«, fragte Layton. »Ich bekenne, dass ich sie nicht mehr gesehen habe, seit Travers und ich sie gleich nach diesem Ereignis aufgesucht haben.«
»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie sie jetzt darüber denkt«, sagte Justin. »Sie ist natürlich höflich gewesen -
eben genauso, wie man es von einer Lady erwarten würde.«
»Vielleicht hätten wir ihr damals die Wahrheit sagen sollen.« Layton stand auf, um sich sein Weinglas neu zu füllen.
»Ich glaube, das haben wir getan, oder etwa nicht?« Justin sah Travers nach Bestätigung suchend an.
»Ich meinte, die ganze Wahrheit«, beharrte Layton.
»Es hätte wenig Sinn gemacht, einer Witwe mitzuteilen, dass ihr Ehemann den Unfall verursacht hat, der ihm und ihrem Sohn das Leben gekostet hat«, erklärte Justin. »Das jetzt wieder hervorzuzerren - eineinhalb Jahre später - wür-de nur unnötiges Leid verursachen.«
»Vermutlich hast du Recht«, stimmte Layton zu.
»Was geschehen ist, ist geschehen«, fügte Justin hinzu.
»Ah, aber anders als Lady Macbeths kleines Problem kann dieses, wenn nötig, ungeschehen gemacht werden«, erwiderte Layton.
Travers stöhnte. »Ich hoffe, ihr zwei werdet die Feiertage nicht damit verbringen, euch gegenseitig mit irgendwelchen obskuren Shakespeare-Zitaten zu übertrumpfen.«
Layton zwinkerte Justin zu und sagte zu Travers: »Natürlich nicht, alter Junge, aber wir beide »lieben es, uns in der Redekunst zu üben, nur um der Worte willen und ohne eigentlichen Zweck<.«
Justin stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »>Derb tönen meine Worte, nicht gesegnet mit der Gabe sanften Klanges.««
Travers erhob sich. »Ich sehe schon, dass ich keine Ruhe haben werde, da ihr beiden ständig irgendetwas deklamieren werdet. Was mich angeht, so werde ich gehen und schauen, ob ich nicht ein hübsches Mädchen finde, bei dem ich meinen Charme
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