Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz
Wirkung.
Eine zittrige Hand umklammerte den Vorhang, dann schoben sich zwei Beine und der Krückstock durch die Falten. Weiß wie das sprichwörtliche Laken tauchte sein Onkel zwischen den purpurroten Samtvorhängen auf und stellte vorsichtig seine Füße auf den Boden, doch sein gereizter Gesichtsausdruck machte Dash noch wütender.
„Was hast du mit meiner Frau gemacht?“, tobte er.
Sein Onkel reagierte irritiert auf seine Frage. „Wovon, in drei Teufels Namen, redest du, Swansborough?“
Doch Dash war seinem Onkel bereits an die Kehle gegangen – vielmehr an die Krawatte, denn er hatte sich offensichtlich vollständig bekleidet zu einem Nickerchen hingelegt. „Maryanne ist verschwunden. Wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, was du ihr angetan hast, erwürge ich dich mit meinen bloßen Händen.“
Verzweifelt schüttelte sein Onkel den Kopf. „Ich habe das Mädchen nicht angerührt. Und ich habe keine Ahnung, wohin sie gegangen ist.“
„Ich glaube dir nicht.“ Dash legte beide Hände um Blackmores schlaffen Hals.
Die fleischigen Finger umklammerten seine Handgelenke, aber Dashs Griff war wie Eisen, härter und kraftvoller, als er selbst es erwartet hatte.
Zorn und ein Gefühl von Macht rasten wie eine Feuerwand durch Dashs Körper. Sein ganzes Leben lang hatte er sich vor diesem Mann gefürchtet. Er war verletzlich gewesen. Voller Angst. Nun aber war er körperlich stärker als sein Onkel und hatte somit in dieser Situation Macht über ihn.
„Es ist die Wahrheit. Ich schwöre bei Gott, ich weiß nicht, wo sie ist“, ächzte Blackmore.
Unbarmherzig drückte Dash die Kehle seines Onkels noch enger zu. Der umklammernde Griff um seine Handgelenke wurde schwächer.
„Bitte. Bitte. Ich weiß nichts. Töte mich nicht. Bitte töte mich nicht.“ Gebrochen, geschlagen, ein schwacher Mann, aufgelöst in Tränen. Alle Unnachgiebigkeit, aller Zorn und aller Mut waren verschwunden.
„Swansborough, halt!“ Die Stimme seiner Tante drang erst nach einiger Zeit in sein Bewusstsein vor. Als er den Kopf wandte, sah er sie in der Tür stehen, mit hängenden Schultern, die Hände flehend erhoben. „Er hat ein schwaches Herz. Bei jeder Aufregung kann es mit ihm zu Ende gehen, allein schon, wenn er an seinen Sohn, an den Verlust seines Sohnes, denkt.“
Dash blinzelte verwirrt. Es fiel ihm schwer, in dieser beherrschten Frau die kreischende Xanthippe wiederzuerkennen, die seine Frau beschimpft hatte. Aber er ließ seinen Onkel los und trat zurück, als sie durch das Zimmer auf ihn zueilte.
War die Szene im Salon eine Finte gewesen? Seine Tante legte den Arm um die Schultern ihres zitternden Mannes, redete beruhigend auf ihn ein und half ihm, sich aufs Bett zu legen.
Hilflosigkeit stieg in Dash auf. Er schlug mit der Faust gegen eine der vergoldeten Säulen des Himmelbetts. Dabei krachten seine Fingerknöchel gegen ein geschnitztes Blatt, doch er ignorierte den scharfen Schmerz, der ihn durchfuhr. „Ich will wissen, was er mit meiner Frau gemacht hat.“
Als sie sich aufrichtete, gaben der resolute Strich ihres schmalen Mundes, ihre scharfen Gesichtszüge und ihr starrer Blick ihr trotz ihrer in Unordnung geratenen eisengrauen Haare das Aussehen einer uneinnehmbaren Festung. Heftig schüttelte sie den Kopf. „Nichts. Er hat sie nicht angefasst. Du glaubst, er schmiedet einen Komplott gegen dich? Er ist ein alter, verwirrter Mann. Inzwischen lebt er nur noch für die Zeit, die er mit ihr verbringt. Mit seiner Geliebten. Denn sie gibt ihm das Gefühl, er sei noch ein junger Mann. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass er die Wahrheit akzeptiert.“
Zur Hölle, die Einzelheiten ihrer Ehe interessierten ihn nicht im Geringsten. Er wünschte ihnen beiden eine unglückliche Beziehung. „Ich glaube ihm nicht. Ich weiß, dass er eine Frau verletzen würde, um mich zu verletzen.“
„Er hat sich verändert. Der Schock, Simon zu verlieren, einen Sohn zu verlieren, den er geliebt hat, hat ihm furchtbar zugesetzt.“
„Es hat aber immer noch dafür gereicht, mich töten zu wollen.“
Sie schüttelte den Kopf und griff nach seinem Unterarm. Bei ihrer Berührung zuckte Dash zusammen. „Komm“, flüsterte sie, und er folgte ihr, obwohl er sich selbst für seine Abhängigkeit verfluchte und es ihm um die verlorene Zeit leidtat. „Er hat die Straßenräuber nicht geschickt, die deine Geliebte verletzt haben; er hat auch nicht die Lösegeldforderung geschrieben. Und auch nicht die Mörder gedungen, die Simon
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