Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz
er noch aufrecht stehen und seine Pflicht tun kann.“
„Das meine ich nicht! Ich war nicht bereit, mich in eine Ehe drängen zu lassen – wie du dich wohl erinnerst, haben wir aus Liebe geheiratet und nicht wegen irgendwelcher lächerlicher gesellschaftlicher Regeln. Ganz sicher werde ich meine Schwester nicht ins Unglück stürzen.“
„Dem Mädchen steht eine Ehe zu. Ich will den Namen des Mannes, Venetia.“ Offenbar war Marcus in diesem Punkt ebenso stur, wie ihre Schwester es gewesen war. „Du wirst sofort erkennen, wie unpassend eine Heirat wäre.“ „Darüber hätte sie nachdenken müssen, bevor sie in sein Bett gestiegen ist.“
„Männer sind so fürchterliche Heuchler“, rief Venetia laut, denn seit sie ein Kind erwartete, schrie sie viel mehr herum als früher. „Du warst mehr als willens, mich in dein Bett zu locken.“
„Du wirst dich erinnern, dass ich dir sofort einen Heiratsantrag gemacht habe, nachdem ich dich in mein Bett gelockt hatte.“ Anstatt zerknirscht zu klingen, wie es angemessen gewesen wäre, hörte ihr Schwager sich an, als würde er nur mühsam seine Kontrolle aufrechterhalten. „Du hast meinen Antrag abgewiesen. Ich hatte dich in mein Bett geholt …“
„Der Teppich“, unterbrach sie ihn. „Ich meine mich zu erinnern, dass wir es zum ersten Mal auf dem Teppich getan haben.“
Venetias Abenteuer, das wusste Maryanne, waren ebenso wild gewesen wie ihre eigenen.
„Trotzdem hatte ich die ganze Zeit die Absicht, dich zu heiraten. Und das wird auch die Einstellung dieses Gentlemans sein. Ich hoffe, es war ein verdammter Gentleman.“
Was hatte sie bloß ihrer Schwester und Marcus angetan? Normalerweise lebten die beiden so harmonisch miteinander, dass es Maryanne Ehrfurcht einflößte. Und nun schrien sie sich gegenseitig an.
„Es war Swansborough.“
Das Schweigen, das darauf folgte, dehnte sich erschreckend lange aus, doch Maryanne wagte nicht, die Augen zu öffnen. Sie vermutete, wenn sie die Lider aufschlug, würde sie der Anblick des nackten wütenden Marcus in höchste Verlegenheit bringen. Aber sie verharrte an der Tür, denn sie musste wissen, was weiter geschah.
„Siehst du nun ein, dass es unmöglich ist? Sie kann Swansborough nicht heiraten.“
„In diesem Fall ist eine Tracht Prügel nicht angemessen.“ Eine der Fußbodendielen knarrte, und Maryannes Lider flatterten. Niemand bewegte sich auf sie zu, aber sie zog die Tür dennoch so weit zu, dass nur ein winziger Spalt offen blieb. Genug, um hören zu können, was im Zimmer gesagt wurde. „Ein Paar verdammter Pistolen ist das Mittel der Wahl.“
Bei Marcus’ Worten erstarrte Maryanne.
„Es wird kein Duell geben, Marcus.“ Bei dem Wort Duell nahm Venetias Stimme einen schrillen Klang an.
„Swansborough hätte auf der Stelle vor meiner Tür stehen und um ihre Hand bitten müssen. Aus diesem Grund ist er also aus London verschwunden.“
Maryanne hatte schon früher wütende Männer gehört – wirklich wütende Männer, keine Ehemänner, die ein bisschen polterten und fluchten –, und Marcus’ ruhige Worte klangen eindeutig gefährlich. Hatte er wirklich vor, Dash zu fordern? Das durfte sie nicht zulassen. Sie musste einschreiten.
„Er hat London nicht aus diesem Grund verlassen, das weißt du sehr genau!“ Mit erhobener Stimme verteidigte Venetia Dash. „Seine Schwester hat ihr Kind verloren. Außerdem wusste er nicht, wer sie war.“
Marcus stieß einen müden Seufzer aus. Die Federn eines Stuhles quietschten protestierend, und Holzbeine kratzten über den Fußboden. Offenbar hatte er sich auf einen Stuhl fallen lassen. Maryannes Beine fühlten sich wie Pudding an, und sie wünschte sich, sie könnte sich setzen.
„Eine Maske?“, erkundigte sich Marcus.
„Ja. Ja, sie trug eine Maske, ebenso wie ich damals.“
„Und wo hat das Ganze stattgefunden?“
„Das spielt keine Rolle. Sie würde mit ihm ohnehin unglücklich werden. Du weißt, was für ein Schurke er ist. Ich vermute, ein Kind ist unterwegs, aber …“
„Oh, Herr im Himmel, ein Kind!“, stöhnte Marcus.
Also hatte Venetia es erraten! Aber wie? Maryanne fielen mehrere Möglichkeiten ein. Ihre neue Gewohnheit, ständig zu essen, um die Übelkeit unter Kontrolle zu halten. Oder hatte ihre Zofe Venetia verraten, dass sie seit drei Monaten nicht mehr geblutet hatte?
„Dann bleibt nur die Ehe.“ Ihr Schwager klang, als würde er ein Todesurteil verkünden.
„Nein, das lasse ich nicht zu. Es wird keine Hochzeit
Weitere Kostenlose Bücher