Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz
geben.“
„Das wird es sehr wohl. Ich bin der Vorstand dieses Haushalts. Deshalb bin ich auch für das Mädchen verantwortlich.“
„Sie ist meine Schwester. In dieser Sache werde ich mich dir nicht unterwerfen!“, schrie Venetia.
Maryanne erschauderte. Nie zuvor hatte sie einen so scharfen Ton in der Stimme ihrer Schwester gehört.
„Oh doch, Liebste, ich versichere dir, dass du das tun wirst.“
„Nenn mich nicht Liebste, wenn du vorhast, dich wie ein verbohrter …“ Venetia stockte. „Oh Gott. Ich glaube … Da ist eine Menge Wasser … Ich bin nicht sicher, aber … es läuft an meinen Beinen herunter.“
Maryanne erstarrte.
„Oh, verdammt!“, brüllte Marcus und kündigte so die bevorstehende Ankunft seines ersten Kindes mit einem Fluch an.
Maryanne schwankte. Sie war der Grund dafür, dass bei ihrer Schwester die Wehen eingesetzt hatten. Bestürzt drehte sie den Türknauf. Sie musste sich beeilen, musste …
Sie war sich nicht sicher, was sie tun musste. Bis jetzt hatte sie noch nie bei einer Geburt geholfen. Dennoch stürzte sie ins Zimmer.
„Maryanne, was zur Hölle …?“ Marcus stand hinter Venetia, den nackten Körper hinter seiner Frau verborgen, die Arme um sie geschlungen, die Hände sanft auf ihrem Bauch ruhend.
Venetia kicherte – was die letzte Reaktion war, die Maryanne von ihr erwartet hätte. „Zieh dir deinen Morgenmantel über, Marcus. Ihr beide müsst ruhig bleiben. Man hat mich gewarnt, dass es beim ersten Kind sehr lange dauern wird.“
Wie konnte Venetia kichern? Vor nur einer Woche hatte sie Briefe an ihr ungeborenes Kind geschrieben. Briefe, die geöffnet werden sollten, falls sie die Geburt nicht überlebte.
„Hast … hast du Schmerzen?“ Hilflos, die Hände in ihren Röcken vergraben, stand Maryanne da.
„Noch nicht. Sie werden aber ganz sicher kommen. Unglücklicherweise hat Mrs. Collins mir sehr unverblümt gesagt, was ich zu erwarten habe.“
„Du musst schreckliche Angst haben“, keuchte Maryanne. Sie vermied jeden Blick in Marcus’ Richtung, obwohl sie bemerkt hatte, dass er zurückgekommen war, und aus den Augenwinkeln dunkelblaue Seide hatte vorüberhuschen sehen – seinen Morgenmantel.
Venetia umschlang ihren Bauch und begann durchs Zimmer zu laufen. Marcus blieb ihr auf den Fersen. „Ich habe keine Angst“, erklärte Venetia entschieden. „Ich bin nervös, aber ich denke, ich werde es überleben. Frauen schaffen das. Viele Frauen schaffen es. Glaubt ihr, es wird mehrere Tage dauern? Es gibt Frauen, die drei Tage in den Wehen lagen.“
Drei Tage! Maryanne blieb der Mund offen stehen. Drei Tage Wehen? Wie konnte eine Frau das überleben? Ihre Hände stahlen sich zu ihrem eigenen Bauch. Sie wusste – jede Frau im Dorf wusste es – von einer Frau, die vor Kurzem im Kindbett gestorben war. Und Dashs Schwester hatte ihr Kind verloren …
Sie musste aufhören, an so furchtbare Dinge zu denken. Zitternd begegnete ihr Blick dem von Marcus.
„Schick nach dem Arzt“, befahl er ihr.
Nie zuvor hatte er in so schroffem Ton mit ihr geredet.
„Und nach Mrs. Collins, der Hebamme“, fügte Venetia hinzu.
Maryanne sah Marcus an und flüsterte: „Ich … ich habe vorhin zugehört. Ich will nicht, dass du wütend auf mich bist. Nicht jetzt. Ich … ich werde ihn heiraten.“
„Maryanne!“, rief Venetia ihr in strengem Ton hinterher, während sie zum Glockenstrang lief und kräftig daran zog.
Als Maryanne sich wieder umdrehte, hatte ihr Schwager Venetia in die Arme gezogen, und Maryannes Herz machte einen kleinen Hüpfer in ihrer Brust, als sie den Blick voll tiefer Liebe sah, mit dem er ihre Schwester anschaute.
„Ich bin absolut in der Lage, selbst zu laufen, Marcus. Es ist sogar gut für mich, wenn ich es tue“, erklärte Venetia.
Doch Marcus streichelte ihre Wange. „Spar deine Kräfte, Liebste.“ Seine Frau in den Armen tragend, hastete er auf die Tür zu.
Mit einer Handbewegung befahl Venetia ihm, stehen zu bleiben, und widerstrebend gehorchte er ihr.
Maryanne erwartete Anweisungen von ihrer Schwester – stattdessen runzelte Venetia die Stirn. „Du kannst Swansborough nicht heiraten, Maryanne.“
„Was, wenn das die einzige Lösung ist, um keinen von euch zu verletzen?“ Und genauso war es. Jedes Risiko, welches die Gefahr mit sich brachte, das Haus ihres Schwagers in einen Skandal hineinzuziehen, trübte das Glück ihrer Schwester, und das würde sie auf keinen Fall zulassen.
„Du musst an dein eigenes Glück denken“,
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