Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz
Unterlippe klopfte. „Zweifellos sind deine Schultern breiter … gerader … die Hüften schmal … ausgesprochen attraktiv, und ich habe auch die wundervoll geschwungene Linie nicht richtig getroffen, wo die Schenkel … oh!“
„Süße, der sanfte, kleine Seufzer am Ende hat mich endgültig geschafft.“ Und tatsächlich war das Tuch, das Marcus’ Hüften bedeckte, fast zu Boden gerutscht. Rasch griff er danach und zog es wieder zurecht. „Ist es zu spät, um als Sichtschutz einen Stuhl davorzustellen?“
Venetia und Marcus lachten gleichzeitig auf, und ein wehmütiger Schmerz durchzuckte Maryanne. Niemals hatte sie geglaubt, dass ein Ehepaar so viel Nähe zueinander haben konnte; zu oft hatte sie das Elend ihrer Mutter miterlebt, in dem diese versank, wenn sie nach Hause zurückkehrte, nachdem sie Zeit mit ihrem Vater verbracht hatte, dem stürmischen, fordernden, großspurigen Künstler Rodesson. Ihre Mutter war zu den Treffen geeilt wie eine Mücke, die von einer leuchtenden, tödlichen Flamme angezogen wurde. Und kehrte jedes Mal weinend und allein zurück.
Es gab so viele unglückliche Ehen. Selbst in der Ehe schien man nur glücklich werden zu können, indem man seine eigenen Ziele verfolgte. Sich von einem anderen Menschen abhängig zu machen, wenn es um Gesellschaft und Freude ging, schien ein furchtbarer Fehler zu sein.
„Wo starrst du hin, Liebste?“ Marcus’ Stimme klang angespannt, obwohl er seine Frau neckte. „Du versuchst doch nicht etwa, die Länge und den Umfang zu schätzen? Wenn du die Familienjuwelen untersuchen willst, um sie für die Nachwelt festzuhalten, kann ich dich auf der Stelle damit beglücken.“
„Wie du es jedes Mal tust“, antwortete ihre Schwester in neckischem Ton um den Pinselstiel in ihrem Mund herum.
„Können wir eine Pause machen?“
Venetia zog den Pinsel zwischen den Lippen hervor und berührte das Ende gedankenverloren mit der Zungenspitze. „Du sitzt mir schon seit einer halben Stunde nicht mehr richtig Modell, Marcus.“
„Ich bin steif …“
„Aber es würde Wochen dauern, das Bild fertig zu malen, wenn wir jedes Mal aufhören, sobald du … steif bist.“
Maryanne machte Anstalten, die Tür wieder zu schließen.
„Da ist etwas, worüber wir reden müssen, Marcus. Es geht um Maryanne.“
Maryanne hielt inne. Mit schlechtem Gewissen schaute sie sich um. Hinter ihr auf dem Flur war niemand. Niemand spionierte ihr nach, während sie ihrer Schwester und ihrem Schwager nachspionierte.
„Was ist los, Liebste?“, wollte Marcus wissen. „Deinem Ton nach zu schließen, fürchte ich, hast du aus einem bestimmten Grund gewartet, bis ich nackt bin, um mit mir über die Sache zu reden.“
Maryanne schluckte krampfhaft, während sie sich in den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen presste. Venetia würde es ihm gleich sagen; sie hatte tatsächlich gewartet, bis er nackt war, sodass er nicht aus dem Zimmer stürmen konnte, um entweder ihr eine Ohrfeige zu geben oder Dash zum Duell zu fordern. Marcus hatte niemals die Hand gegen sie erhoben, hatte sich niemals anders als freundlich und warmherzig verhalten, aber Maryanne wusste, dass er einen Mann erschossen hatte, um Venetia zu beschützen.
Ihr Magen hob sich, und das Stückchen Keks, das sie bis jetzt bei sich behalten hatte, würde dagegen nicht helfen. Das hier war keine Morgenübelkeit. Es war Angst.
„Es ist nicht gerade leicht, darüber zu sprechen“, erklärte Venetia zögernd. Sie stellte ihren Pinsel in ein Glas mit Terpentin und glitt, die Hand auf dem Bauch ruhend, von ihrem Hocker.
Sofort sprang Marcus auf, um seiner Frau zu helfen, wobei das Tuch von seinen Lenden glitt. Maryanne schloss die Augen.
„Dann lass mich raten. Wer ist der Schuldige?“
Mit fest zugekniffenen Augen wunderte Maryanne sich, wie ruhig er klang. Da sie nicht seine leibliche Schwester war, würde er sich vielleicht überhaupt nicht aufregen.
„Das spielt keine Rolle“, erwiderte Venetia.
„Ich versichere dir, es spielt sehr wohl eine Rolle.“
Der wütende Unterton in Marcus’ Stimme ließ Maryanne erschaudern. Ihre Vermutung war falsch gewesen. Aufregung war ein viel zu schwaches Wort für Marcus’ Reaktion.
„Weil ich wissen muss, wen ich an den Haaren herbeischleifen, fast zu Tode prügeln und dann vor den Traualtar schleppen muss“, erklärte er laut und zornig.
„Es wird keine Hochzeit geben.“
„Ich werde ihn nicht allzu sehr verprügeln. Auf jeden Fall werde ich sichergehen, dass
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