Samuel Carver 01 - Target
gerichtet, der in einem graubraunen Anzug in seiner Blickrichtung saß. Er musterte ihn mit der unbeteiligten Nüchternheit eines Gerichtsmediziners, der eine Leiche auf dem Seziertisch hat. Zum ersten Mal schämte sich Carver wegen seiner Nacktheit und seiner Gefangenschaft. Er musste sich zwingen, den Kopf oben zu behalten und nicht wegzusehen.
»Guten Abend«, sagte der Mann. »Ich bin Juri Schukowski. Ich will Ihnen zunächst Ihre Lage erklären. Als Erstes müssen Sie begreifen, dass es keine Hoffnung auf Entkommen gibt. Selbst wenn wir einmal annehmen, Sie könnten sich wie Houdini von Ihren Fesseln befreien, so würden wir Sie augenblicklich bewegungsunfähig machen.
Sie werden bemerken, dass Sie einen schwarzen Nylongürtel um die Taille tragen, Das ist ein Elektroschockgürtel. Er hat an der Rückseite, also außerhalb Ihrer Reichweite, ein Netzteil, das Ihnen 50000 Volt durch den Körper jagt und mittels Fernbedienung gesteuert wird.«
Jetzt wusste Carver, was der Mann auf dem Sofa in der Hand hielt.
Schukowski fuhr fort. »Dieser Gürtel wird von den amerikanischen Behörden eingesetzt, um gewalttätige Gefangene zu zügeln, wurde aber kürzlich von den schwachsinnigen Liberalen bei Amnesty International als Foltergerät verdammt. Sie haben etwas gegen die völlige physische Schwächung, die ein solcher Stromschlag nach sich zieht, sowie gegen die entsetzlichen Schmerzen, das Hirntrauma und die Inkontinenz. Für meine Zwecke scheinen das Empfehlungen zu sein.«
Carver sah auf das schwarze Band an seiner Taille. »Autsch«, sagte er trocken. »Das tut bestimmt weh. Aber Sie sollten auch etwas wissen. Gemäß Ihren Erwartungen besitze ich eine Kopie der Festplatte. Ich habe außerdem ein volles Geständnis auf Band gesprochen, wo ich meine Beteiligung am Tod der Prinzessin von Wales schildere. Sie spielen darin eine Starrolle. Und wenn ich morgen früh nicht gesund und munter dieses Haus verlasse, wird jeder größere Fernsehsender der westlichen Welt von beidem eine Kopie bekommen.«
Schukowski legte die Stirn in Falten, als würde ihn die unangebrachte Drohung ernsthaft ratlos machen. »Und Sie glauben, das wird Sie schützen? Bitte gebrauchen Sie Ihren Verstand. Wie viele falsche Bekennerschreiben gehen täglich bei den Fernsehsendern und Zeitungen ein? Jeder Spinner will ein bisschen Ruhm für sich. Was Computerdisketten und Verschwörungstheorien angeht, so gibt es Hunderte davon. Niemand wird dem Beachtung schenken. Man wird Ihre Diskette und das Video zusammen mit den anderen in den Papierkorb werfen.
Gut, das haben wir also abgehandelt. Jetzt werde ich Ihnen mein Personal vorstellen. Ich hoffe, sie werden Ihnen den kurzen Aufenthalt so unangenehm wie möglich machen. Mr Kursk kennen Sie ja schon.«
Er stellte seine Bandenmitglieder vor wie ein Entertainer seine Nebenakteure. Schukowski zeigte auf die ausgemergelte Gestalt des Rothaarigen. »Das ist Mr Titow. Ich muss sagen, Sie haben sein Gesicht ziemlich zugerichtet. Er hält die Fernbedienung Ihres Gürtels in den Händen, wie Sie vielleicht bemerkt haben.«
Als Nächster kam der Mann mit dem runden Gesicht und den mürrischen Lippen dran, dessen Nase jetzt unter einem Verband steckte. »Mr Rutschew«, sagte Schukowski. »Und schließlich …«, er zeigte auf den Hartgesottenen mit der Stoppelfrisur, der nicht besser aussah, seit er in einer Genfer Kneipe verprügelt worden war, »Mr Dimitrow.«
Der Mann machte eine spöttische Verbeugung. Carver nickte ihm zu.
»Und selbstverständlich«, fuhr Schukowski fort, »habe ich das Beste bis zum Schluss aufgespart.«
Er sah zu dem einen Menschen auf, den Carver versucht hatte, sich wegzudenken, zu der schönen Frau, die auf der Armlehne des Sessels saß, Schukowski mit den glänzend roten Fingernägeln durch die Haare fuhr und zufrieden seufzte, als der Russe ihren nackten Oberschenkel betatschte.
Juri Schukowski lächelte Carver an. »Ich glaube, Sie kennen meine Geliebte.«
76
Aliks sah aus, als hätte man sie mit Geld überschüttet. Ihre honigblonde Mähne war wiederhergestellt und floss ihr um die nackten Schultern. Ihre Haut schimmerte goldbraun, die Lippen feucht rot. An den Ohren und um die Handgelenke funkelten Diamanten. Die hochhackigen schwarzen Stiefel schmiegten sich so glatt an die Waden wie Strümpfe.
Das Kleid, das sie anhatte, war ein winziger Fetzen aus einem glänzenden, durchscheinenden Stoff, der vom Hals an glatt herunterhing und das obere Drittel der Oberschenkel
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