Samuel Carver 01 - Target
Ungeduld durch das Schweigen in der Leitung spüren. Dann splitterten die Fensterscheiben der obersten Wohnung nach draußen, und es regnete Holz und Glas auf die Straße, gefolgt von einem harten Prasseln auf dem Dach von Colcloughs Wagen, als kleine Stahlkugeln wie Hagel auf die Straße niedergingen.
Es war fast niemand unterwegs. Die Restaurants hatten alle geschlossen, und die Touristen lagen in ihren Hotelbetten. Nur zwei Menschen waren gerade auf dem Heimweg, als die Explosion passierte. Die Frau schrie. Der Mann packte sie und versuchte, sie vor dem herabstürzenden Schutt abzuschirmen. Sie schienen nicht ernsthaft verletzt zu sein; trotzdem weinte die Frau hemmungslos, während der Mann nur verständnislos um sich starrte.
»Verdammte Scheiße!«, schrie Colclough. »Wer den Auftrag erledigt hat, macht keine halben Sachen.«
Max wirkte nicht allzu beeindruckt. »Es hat eine Explosion gegeben?«
»Allerdings. Augenblick mal … ich kriege Gesellschaft.«
Eine Frau rannte aus der Tür des Hauses, eine Blondine in einem blauen Kleid. Sie kam mit schreckgeweiteten Augen zu seinem Wagen und drückte das Gesicht ans Seitenfenster. »Helfen Sie mir! Um Himmels willen, Sie müssen helfen!«, schrie sie. Sie redete Englisch. Klang nach Yankee.
Colclough konnte Max aus dem Lautsprecher hören. »Was ist los?«
»Nur ’ne Puppe aus dem betroffenen Haus. Nichts Ernstes. Ist nur ein bisschen hysterisch.«
Er drückte den Knopf und öffnete das Fenster. Die Kleine beugte sich herein und riss ihn am Ärmel. »Kommen Sie schnell, bitte. Es ist meine Mutter! Sie ist … O Gott, ich glaube, sie ist tot!«, weinte sie. Colclough hörte nicht, wie die Beifahrertür aufging. Das Erste, was er von Carvers Anwesenheit spürte, war das kalte Metall der Mündung hinterm Ohr und die Flüsterstimme, die sagte: »Reden Sie weiter. Ich bin nicht da. Verstanden?«
Der Ex-Bulle wackelte zustimmend mit dem kahlen Kopf.
»Jetzt sagen Sie dem Mädchen, sie soll verschwinden, laut, aber höflich.«
»Äh, ’tsch … ’tschuldigung, Kleine«, stammelte Colclough. »Würde ja gern helfen, aber ich bin beschäftigt, klar? Muss was erledigen.«
Max’ Stimme überschlug sich im Lautsprecher. »He, Colclough, schaffen Sie das Problem aus der Welt!«
»Klar doch, Chef«, antwortete Colclough. Dann wandte er sich der jungen Frau zu. »Hör zu, Schätzchen. Du hast den Mann gehört. Hau ab.«
Aliks klopfte ihm lächelnd auf die Wange. »Braver Junge«, formte sie mit den Lippen; dann stieg sie in den Wagen ein und setzte sich hinter ihn.
Carver tippte Colclough mit der Pistole auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Mit der freien Hand zeigte er auf das Telefon, das am Armaturenbrett befestigt war. Dann zog er den Zeigefinger quer über die Kehle. Die Bedeutung war klar: Gespräch beenden. Colclough beugte sich zu dem Apparat hinunter: »Sie ist weg. Ich komme jetzt zur Basis. Ende.«
»Gut so«, sagte Carver. »Setzen Sie sich auf die rechte Hand. Klemmen Sie sie gut fest. Prima. Jetzt die linke Hand ans Lenkrad. Nicht bewegen.«
»Sonst noch was?«
Ehe Carver antworten konnte, beugte Aliks sich nach vorn und schob die geballte Faust um den Fahrersitz herum. Sie drückte die Faust ganz leicht zusammen, und eine Klinge sprang zwischen Daumen und Zeigefinger hervor. Die Spitze drückte sie Colclough an den Hals.
»Sonst bringe ich dir Respekt vor Frauen bei.«
Aliks lehnte sich entspannt in den Rücksitz und ließ die Klinge in den Griff zurückschnappen. Sie hatte ihren Standpunkt klargemacht. Carver blickte sie erschrocken an, unfähig, seine Verblüffung zu verbergen. Er sah einen spöttischen Ausdruck über Colcloughs Gesicht huschen und fühlte, wie seine Überraschung in Zorn überging, der hauptsächlich ihm selbst galt. Er griff in eine seiner Hosentaschen und zog ein weiteres Paar Plastikhandschellen heraus. Die gab er Colclough.
»Schlingen Sie ein Ende um das Lenkrad, das andere ziehen Sie durch. Dann zurren Sie es fest.«
Colclough tat wie befohlen. Eine Hälfte der Fessel war jetzt am Lenkrad befestigt.
»Jetzt schieben Sie die linke Hand durch«, sagte Carver und deutete mit dem Pistolenlauf auf die leere Schlinge. »Mit der rechten zuziehen. Braver Junge.«
Colclough war ans Lenkrad gefesselt. Er würde den Wagen nicht verlassen, bis Carver ihn losschnitt. Carver klopfte ihn nach Waffen ab.
»Das hätten Sie vielleicht bei der Puppe tun sollen«, höhnte Colclough. »Hätte doch Spaß machen
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