Samuel Carver 01 - Target
ausgebildet wurde, mich über solche Dinge zu unterhalten.«
»In Russland?«
Aliks nickte. »Natürlich. Das gehörte zu meiner Aufgabe.«
»Und die wäre?«
Sie setzte wieder ihr unverbindliches Lächeln auf. »Konversation. Wenn das also ein typisches Stadthaus ist, sind die Hauptempfangsräume im ersten Stock. Hält Max sich dort auf?«
Colclough nickte. »Ja, in einer Art Esszimmer. Sein Chef sitzt im Nachbarraum.«
Carver runzelte die Stirn. »Was heißt Chef? Max hat einen Vorgesetzten? Wen?«
»Woher soll ich das wissen? Ich habe ihn nie gesehen.«
»Woher wissen Sie es dann?«
»Weil Max ins Nebenzimmer gerufen wurde. Ging schnurstracks rein, ohne Widerrede. Also muss der Kerl sein Boss sein. Ich meine, das ist doch logisch, oder?«
Er sah Carver flehend an, wollte zu gerne hören, dass alles in Ordnung war, dass alles gut werden würde. »Mann, ich tue mein Bestes.« Seine Stimme überschlug sich. »Ich … Ich habe eine Frau und eine Tochter. Ich will nicht sterben. Ich meine, was habe ich Ihnen denn getan, um Himmels willen?«
»Gut«, Carver ignorierte das. »Einer am Tor. Max. Sein Boss. Wer noch?«
»Ich sagte doch schon, ich weiß es nicht. Ich musste immer unten warten, in einer Küche. Da gab es was zu essen und Kaffee. Zwei andere Kerle gingen ständig ein und aus.«
»Bewaffnet?«
»Schon möglich … eigentlich ja. Da waren zwei draußen vor dem Zimmer, in dem Max war, wie Wächter. Die hatten auf jeden Fall Kanonen. Jedenfalls habe ich Kaffee getrunken und Kreuzworträtsel gelöst bis ungefähr elf Uhr. Dann habe ich den Befehl bekommen, meine Position einzunehmen. Den Rest wissen Sie.«
»Nicht ganz«, erwiderte Carver. »Wo ist diese Küche und wo das Esszimmer, in dem Max war? Wie sind Sie dahin gekommen?«
»Es gab noch eine Treppe an der Rückseite, Sie wissen schon, quasi fürs Personal.«
Carver überlegte. Vier Leute für eine anständige Überwachung der Zielpersonen während der Stunden vor dem Anschlag. Zwei davon würde man brauchen, um den Unfall zu beobachten und der Ambulanz zu folgen. Blieben zwei, plus dem Torwächter, Max, seinen beiden Türstehern und seinem geheimnisvollen Boss. Sieben gegen einen. Nicht die besten Gewinnchancen.
Carver drehte sich zu Aliks um. Er hatte sie an der Bushaltestelle ziemlich leicht entwaffnen können. Das war auch nicht vielversprechend. »Wie viel Kampfausbildung hatten Sie eigentlich?«
Sie zuckte mit den Schultern und schürzte die Lippen. »Ein wenig. Grundlagen der Selbstverteidigung, Schießen, nichts Spezielles.«
»Und Umgang mit Messern«, bemerkte Carver.
»Nein. Das habe ich mir selbst beigebracht. Als Frau muss man Scheißtypen abschrecken können.«
»Ein bisschen extrem, oder?«
»Das sind die Scheißtypen auch.«
»Kann ich Sie was fragen?«, unterbrach Colclough.
»Was?«, fragte Carver.
»Warum hauen Sie nicht einfach ab? Ich werde kein Wort sagen, glauben Sie mir. Ich schwöre bei Gott, beim Leben meiner Tochter, kein Wort. Nehmen Sie den Wagen, fahren Sie zum nächsten Flughafen, und fliegen Sie so weit wie möglich weg.«
Aliks nickte. »Wir könnten auch in verschiedene Länder fliegen. Getrennt.«
»Ja, klar«, meinte Carver, »wenn Sie für den Rest Ihres kurzen Lebens Nackenschmerzen haben wollen, weil Sie ständig über die Schulter gucken, oder ein Jucken im Rücken, weil Sie immer auf die erste Kugel warten. Die Leute, die uns beauftragt haben, wollen uns beseitigen. Sie werden ihre Entscheidung nicht ändern. Wir haben eine Stunde – höchstens –, bevor die Polizei entdeckt, dass niemand in der Wohnung war, und bis die Leiche aus der Kanalisation gefischt wird. Wir müssen voraussetzen, dass Max und sein Boss entweder den Polizeifunk abhören oder bei denen ihre Leute haben. Sie werden bald wissen, dass wir noch am Leben sind. Wir müssen sie vorher erwischen. Und wir müssen etwas über ihre Organisation herausfinden. Ich nehme an, Max hat irgendwelche Computer- und Telefonanlagen, ja?«
»Wahrscheinlich. Da standen Bildschirme auf dem Tisch, aber er hat mich nicht in die Nähe gelassen. Fragen Sie mich also nicht, was für welche.«
»Brauche ich auch nicht. Diese Leute leiten die Operation. Und in ihrem Computer steht alles, was wir wissen müssen. Wenn wir es aus Max nicht herausbekommen, kriegen wir es vom Computer. Also, Aliks, machen Sie mit?«
Ein Schulterzucken. »Scheint so. Aber denken Sie daran, dass ich kein Soldat bin. Ein Haus überfallen, dafür wurde ich nicht
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