Samuel Carver 01 - Target
sich, während er um Verständnis flehte, was, wie er wusste, zwecklos war.
»Wer sind die, Magnus?«
»Das darf ich nicht sagen!«
»Weil die Sie umbringen würden.«
»Ja!«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich das nicht schon vorher tun werde? Mund auf.«
Carver griff hinter sich und zog die Sig Sauer aus dem Hosenbund. Er schob Leclerc den Schalldämpfer zwischen die Zähne. »Erraten Sie, was das ist? Richtig, es ist eine 9-mm-Pistole. Glauben Sie mir, ich werde nicht zögern abzudrücken. Das tue ich oft. Aber ich kann auch etwas anderes: Ich kann Geheimnisse für mich behalten. Niemand wird je etwas über diesen Abend erfahren, wenn Sie mir verraten, was auf diesem Konto passiert ist.«
»Nichts ist passiert.«
Carver schlug ihm ins Gesicht. »Ich dachte, wir hätten uns verstanden.«
Leclerc stöhnte. »Nein, wirklich, es ist nichts passiert. Es wurde gar kein Geld eingezahlt. Es wurde auch keins abgebucht. Das Fax war nur zur Täuschung.«
»Wer hat die Anweisung dazu erteilt?«
»Ich darf es nicht sagen … Ich darf es nicht!«
Carver seufzte. Er stopfte ihm das Taschentuch wieder in den Mund und nahm Leclercs Hand. »Dieses Schweinchen ist zum Markt gegangen«, sagte er und gab dem Zeigefinger einen scharfen Ruck. Er ging die Finger weiter durch. »Dieses Schweinchen ist zuhause geblieben. Dieses Schweinchen hatte Braten zu Mittag. Und dieses Schweinchen …«
Durch das Taschentuch drang ein ersticktes Heulen. Carver hielt den kleinen Finger ein wenig länger fest und bog ihn nach hinten, um den Schmerz zu erhöhen; dann nahm er Leclerc den Knebel heraus.
»Wollten Sie etwas sagen? Oder soll ich Ihnen zeigen, wie ernst ich es meine?«
»Nein, bitte, ich bitte Sie …«
»Dann reden Sie. Die Anweisung, von wem kam sie?«
»Von Malgrave and Company. Das ist eine Londoner Bank.«
»Wer hat sie geschickt? Ich brauche einen Namen.«
»Das weiß ich nicht, aber sie muss von ganz oben gekommen sein, von jemandem mit großem Einfluss. Es wäre unmöglich gewesen, wenn der Präsident meiner Bank nicht zugestimmt hätte.«
»Wer leitet diese Londoner Bank? Wer ist der Boss?«
Leclerc wagte ein gequältes Lächeln. »Für diese Auskunft brauchen Sie mich nicht. Das ist ein Familienunternehmen. Der derzeitige Vorsitzende ist Lord Crispin Malgrave.«
»Danke, Mr Leclerc. Sie haben mir sehr geholfen. Sie werden im Nu von hier weg sein. Morgen früh werden Sie eine E-Mail erhalten, mit einem Anhang – Einzelbilder der Videoaufnahmen. Ich hoffe, sie werden Ihnen als Warnung dienen, den Mund zu halten. Ich würde mir keine weiteren Unannehmlichkeiten wünschen.
Nun, Miss St. Clair, vielleicht wären Sie so gut und ziehen sich wieder an, damit Sie mir beim Aufräumen helfen können.« Er wandte sich dem Fernsehschrank zu, wo eine der Kameras versteckt war, und schickte eine Nachricht an Thor Larsson, der im Nachbarzimmer den Monitor beobachtete. »Du kannst zusammenpacken und ebenfalls verschwinden.«
49
Aliks stand unter der Dusche und wusch sich das Gefühl von Leclercs Händen ab, und den Geruch, der von ihm aufgestiegen war, als sie sich mit dem Mund über ihn gebeugt hatte. Das Hotel stellte zwei Plastikflaschen mit Mundwasser zur Verfügung. Sie brauchte beide auf. Sie hatte ihn nicht einmal geküsst, geschweige denn mehr getan, und fühlte sich trotzdem wie besudelt. Als sie wieder ins Schlafzimmer kam, war Carver mit dem Einpacken der Videoausrüstung beschäftigt. Leclerc saß ernüchtert und mit hängenden Schultern auf der Bettkante.
Aliks sammelte ihre Sachen ein, dann half sie Carver, Leclerc, der noch die Augenbinde trug, loszubinden und anzuziehen. Der Banker wurde auf den Korridor geführt, dann eine rückwärtige Treppe hinunter durch einen Hinterausgang des Hotels nach draußen. Thor Larsson wartete in seinem alten Volvo.
»Hast du alles?«, fragte Carver mit Vandervarts Stimme.
»Klar«, antwortete Larsson. »Keine Sorge. Ton und Bild sind erstklassig.«
Zehn Minuten später wurde Leclerc aus dem Wagen in eine stille Seitenstraße entlassen. Bis er sich die Augenbinde abgenommen hatte, war der Volvo um eine Ecke verschwunden und nicht mehr zu sehen.
Larsson ließ Carver und Aliks auf der Pont des Bergues aussteigen. Während die anderen zur Altstadt hinaufschlenderten, fuhr er in seine Wohnung zurück. Minuten später war er online, drang in den Großrechner des Hotels ein und löschte alle Spuren ihrer dortigen Anwesenheit. Was das System des Beau Rivage betraf, hatte weder
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