Samuel Carver 02 - Survivor
bewegt sich nicht … Vielleicht sollte ich einfach aufgeben und akzeptieren, dass es keine Rettung gibt … Nein, das darf ich nicht, ich muss weiterleben, ich will meine Rache … Moment, ist das …?
Die Luke öffnete sich und ließ einen Windstoß herein, der den Rauch aus dem Frachtraum trieb. Die Luft war bitterkalt, aber so sauber, dass er sie, immer wieder von Hustenanfällen unterbrochen, einsaugen konnte. Er hörte nicht auf zu pumpen, obwohl ihm bei jedem Auf und Ab ein Schmerz durch Arme und Schultern in den Rücken schoss. Endlich stand die Bodenluke weit genug offen. Braune Erde schimmerte darunter hervor.
In dem Metallgestell lag die Bombe in ihrem schäbigen braunen Koffer, grob an dem Fallschirm befestigt. Ein Hebel an dem Gestell würde für den Abwurf sorgen.
Carver sah sich hektisch um und entdeckte die Gummibänder an den Wandhaken, mit denen die Ladung gesichert werden sollte, an die die Ingenieure beim Umbau des Flugzeugs gutgläubig gedacht hatten. Er nahm sich eins, schlang ein Ende um einen der Gurte, der den Bombenkoffer mit dem Fallschirm verband, und knotete es fest. Dann zog er Aliks eng an sich und legte ihre Arme um seine Taille. Sie drückte ihn ein wenig, als er das Gummiband wie in einer Acht um ihre beiden Körper führte, und das andere Ende festknotete. Jetzt waren sie auf Gedeih und Verderb an die Bombe gefesselt.
Das Flugzeug wurde immer heftiger durchgeschüttelt, es gehorchte kaum noch den Befehlen des Piloten. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie ganz die Gewalt darüber verlieren würden und der Sinkflug in einen freien Fall überging.
Plötzlich gab es eine Bewegung am vorderen Rand des Frachtraums, das Rad drehte sich. Jemand war auf der anderen Seite der Zwischentür und versuchte, zu ihnen durchzukommen. Die Tür öffnete sich, und Vermulen taumelte hindurch. Er musste zu sich gekommen sein, außerdem hatte er die Waffe des anderen Leibwächters an sich gebracht. Er hob sie und schoss. Doch weil das Flugzeug stark schwankte, konnte er sie nicht ruhig halten, und so schoss er wahllos hin und her. Die Kugeln prallten an den Metallstreben der Wände und an der Abwurfvorrichtung ab.
Ein letzter kräftiger Stoß ging durch das Flugzeug, als die Kabel rissen. Carver hörte einen erstickten Schrei von Aliks und spürte, wie ein Ruck durch ihren Körper ging. Das Flugzeug kippte in seinen tödlichen Sturzflug. Vermulen wurde gegen die Trennwand geschleudert. Carver riss den Hebel der Abwurfvorrichtung herum und schlang die Arme um Aliks’ Kopf, um sie zu schützen. Dann übernahm die Schwerkraft das Ruder, und die Bombe, der Fallschirm und die aneinandergefesselten Liebenden wurden in die gähnende Leere hinausgeschleudert. Mit dreihundertzwanzig Stundenkilometern stürzten sie dem Boden entgegen.
Der Fallschirm sollte sich in fünfzehnhundert Meter Höhe öffnen und den Fall der Bombe abbremsen, bevor sie über dem Jerusalemer Tempel explodierte. Doch die Berge des nördlichen Mazedonien waren bis zu siebzehnhundert Meter hoch. Der Boden rauschte auf sie zu, und plötzlich hörte Carver, wie er anfing, aus lauter Angst und Enttäuschung zu schreien, als ihm klar wurde, dass seine ganzen Anstrengungen der letzten paar Minuten vergeblich gewesen waren.
Der harte Boden des Gebirges war nur noch wenige Sekunden entfernt. Carver drückte Aliks fester an sich. In der Dunkelheit konnte er nicht einmal ihre Augen erkennen. Doch als sich der Moment des Aufschlags näherte und sein Verstand sich weigerte, nicht länger nachzudenken, kniff er die Augen zu, damit er den explosiven Aufprall des Flugzeugs in ein paar Hundert Metern Entfernung nur zu hören und nicht zu sehen brauchte.
Näher, noch näher … Und dann gab es einen Ruck, der ihm fast die Arme aus den Schultergelenken riss, als der Fallschirm sich endlich öffnete, nur neunzig Meter über dem Boden, kaum hoch genug, um seine Last abzubremsen. Der Bombenkoffer und die an ihn gefesselten Menschen schlugen auf dem Boden auf und kollerten über Steine und Gras einen steilen Abhang hinunter, bis sie auf weicher, feuchter Erde neben einem Bachbett liegen blieben.
Carver hatte sich einen Knöchel angebrochen und den anderen übel verstaucht. Die Schmerzen, die immer wenn er Luft holte durch seinen Brustkorb fuhren, sagten ihm, dass er sich ein paar Rippen gebrochen hatte.
Er griff nach dem Gummiband und löste den ersten Knoten. Als er die Schlinge von seiner Taille löste, rollte Aliks von dem Koffer herunter und
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