Samuel Carver 02 - Survivor
blieb neben ihm auf dem Bauch liegen, das reglose Gesicht von ihm abgewandt. Er sprach sie an, bekam aber keine Antwort.
Zuerst glaubte er, sie hätte beim Aufprall das Bewusstsein verloren, dann merkte er, dass seine Hände nass und dunkel waren. Eine Sekunde lang hoffte er, dass es Schlamm war. Er betete, dass es Schlamm war. Aber dann sah er die dunkle Nässe auch an seiner Brust, und er wusste, dass es Blut war.
»O Gott, nein …«, stöhnte er und tastete sich ab, in der verzweifelten Hoffnung, die Wunde an sich selbst zu finden. Es kam vor, dass man sich Platzwunden holte und sie nicht spürte.
Aber Carver hatte keine Platzwunde. Das wusste er.
Er betrachtete Aliks, und das Mondlicht spülte eine graue Tünche über das ausgefranste rotschwarze Loch oben an ihrer Schulter. Es konnte nur von Vermulens Schießerei stammen. Carver tastete am Hals nach ihrem Puls … Er war da, unregelmäßig, ein zartes, kaum spürbares Flattern. Er horchte auf das leise Blubbern einer Lungenverletzung und hörte nichts. Wenigstens ein kleiner Funken Hoffnung, aber nur ein kleiner.
Die Eintrittswunde war viel größer und nicht so sauber, wie Carver erwartet hätte. Sie war faustgroß. Die Kugel musste schon, bevor sie getroffen hatte, deformiert worden sein, vielleicht beim Abprallen von einer Metalloberfläche. Das würde auch erklären, warum sie stecken geblieben war, anstatt die Schulter zu durchschlagen und auch ihn zu treffen. Er versuchte, nicht an die inneren Verletzungen zu denken. Selbst wenn die Kugel kein lebenswichtiges Organ getroffen hatte, so hatte Aliks schon viel Blut verloren, und die Blutung war noch nicht gestillt.
Carver ignorierte die Schmerzen von seinen gebrochenen Rippen und zog sich das Hemd aus, um es in Streifen zu reißen. Dann hob er Aliks vorsichtig in eine sitzende Position, hielt kurz inne, als sie leise aufstöhnte, und zog ihr das T-Shirt aus, um die Wunde freizulegen. Einen der Stoffstreifen knüllte er zusammen und presste ihn auf die Wunde, um den Blutfluss zu stillen. Mit den anderen Streifen improvisierte er einen Verband, mit dem er den Stoff auf der Wunde fixierte.
Aber das reichte bestenfalls nur für kurze Zeit. Er hatte nichts, um die Kugel zu entfernen oder die Schmerzen zu lindern. Wenn Aliks nicht bald ärztliche Hilfe bekam, würde sie sterben. Doch sie waren meilenweit von menschlichen Behausungen entfernt, und sein Handy lag in seiner Tasche im Hangar. Er konnte nicht mehr für sie tun, als bei ihr zu sein. Also nahm er sie in die Arme und redete leise mit ihr, sagte ihr all die Dinge, die seit Monaten unausgesprochen waren. Ein paar Mal meinte er, sie würde ihn hören, wenn sie blinzelte oder mit den Lippen zuckte, aber das war nicht wichtig.
So saß er noch da, als der Black Hawk ihn fand. Er landete nicht weit entfernt auf einer ebenen Stelle. Carver sah die Scheinwerfer durch die Dunkelheit schneiden, während irgendwer auf ihn zurannte. Dann stand jemand vor ihm und fasste ihn an der Schulter.
»Geht es Ihnen gut?«
Es war eine Frau. Er blickte auf und sah eine kleine, schlanke Zivilistin, die sich in ihrem Kampfanzug gar nicht wohlzufühlen schien.
»Ja«, antwortete Carver, und es kam mehr wie ein Seufzer. »Ganz ausgezeichnet.«
Dann stand er auf, hob Aliks auf seine Arme und humpelte den Abhang hinunter zu dem wartenden Hubschrauber.
POSTSKRIPT: NOCH MEHR TATSACHEN
Die US-Regierung bekam das Interview mit General Alexander Lebed, in dem er behauptete, dass Russland hundert Kofferatombomben verloren habe, vor der Ausstrahlung im Fernsehen auf Band zu sehen und bereitete dazu eine Antwort vor. James Foley, der Sprecher des Außenministeriums, sagte in seiner Erklärung: »Die russische Regierung hat uns versichert, dass sie ihre Kernwaffen angemessen unter Kontrolle hat … Für diese Waffen und Anlagen gelten geeignete Sicherheitsmaßnahmen … Es besteht kein Grund zur Sorge.«
Lebed jedoch bekräftigte seine Behauptung bei einer Anhörung vor dem Unterausschuss des Kongresses für militärische Forschung und Entwicklung am 1. Oktober 1997. Am Tag darauf wurde das von dem russischen Wissenschaftler Alexej Jablokow, einem Umweltschützer und Mitglied des russischen Nationalen Sicherheitsrates, bestätigt, der vor dem Ausschuss aussagte, er sei vollkommen sicher, dass der KGB in den siebziger Jahren tragbare Bomben als Waffe gegen Terroristen produziert habe.
Im Herbst 1999 wurde das Thema im Kongress erörtert, als der republikanische Abgeordnete Kurt
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