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Samuel Carver 05 - Collapse

Samuel Carver 05 - Collapse

Titel: Samuel Carver 05 - Collapse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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Teenager aus dem fernen Perm. Damals war sie noch alles andere als eine Schönheit. Sie trug unförmige Kleidung und eine dicke Brille und hatte außerdem einen Silberblick, für den sie während ihrer ganzen Kindheit gehänselt worden war. Ein KGB-Offizier namens Olga Schukowskaja erkannte jedoch Alix’ Potenzial. Auf Betreiben dieser Frau verwandelte sie sich durch chirurgische Eingriffe, Diäten und schweißtreibendes Training in eine professionelle Verführerin. Mit zweiundzwanzig Jahren konnte sie sich auf Englisch so fließend unterhalten wie in ihrer Muttersprache, konnte einen Mann ins Bett locken, ihm die erotischste Erfahrung seines Lebens bescheren – und ihrem rührend dankbaren Opfer jede Information entlocken, auf die es ihre Arbeitgeber abgesehen hatten.
    Orwell unterschied sich kaum von den Diplomaten, Politikern, Militärattachés und Geschäftsleuten, die damals in ihre Honigfalle gegangen waren, urteilte Alix. Er hatte zwar einen herausragenden Ruf und kannte sich auf dem politischen Parkett der Weltmächte aus, doch jetzt war er im Grunde ein Verkäufer. Während des Abendessens kam er mit raffinierten, überzeugenden Sprüchen über das Genie Malachi Zorn und die enormen Erträge an, die mit dessen Fonds zu erzielen seien, und vermied es dabei sorgfältig, von garantierten Gewinnen zu sprechen, sorgte aber umso mehr für den Eindruck, es seien Gewinne zu erwarten. Er war auf das Gespräch gut vorbereitet worden und hatte sein Wissen geschickt ausgespielt. Er zeigte ein schmeichelhaftes Interesse an Azarows geschäftlichen Erfolgen und machte auch Alix Komplimente, nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch zu ihrer gut laufenden Beratungsfirma in Washington, D.C., die sie von ihrem verstorbenen Mann, General Kurt Vermulen, geerbt hatte und nun selbst führte.
    »Dieser Orwell ist ein anständiger Mann«, hatte Azarow gemeint, als der Rolls-Royce sie zu seinem Haus zurückbrachte, einem roten Backsteinbau im Queen-Anne-Stil in Kensington Palace Gardens, den die Londoner Immobilienmakler nur die Milliardärszeile nannten. »Der versteht, wie die Welt funktioniert. Er ist zwar Sozialist, weiß aber den Wert und die Macht des Geldes zu schätzen.«
    »Sein Sozialismus hat nichts mit dem gemein, in dem wir beide aufgewachsen sind«, erwiderte Alix.
    »Nein, aber es ist der, den unsere politischen Führer praktizierten: Mach so viel Geld, wie du kannst, und lass die Massen für sich selbst sorgen. Auf jeden Fall hat er recht, was Zorn angeht. Der Mann ist ein Zauberer. Weißt du, dass er angeblich über zehn Milliarden bei einem einzigen Coup gegen Lehman Brothers eingesackt hat?«
    Mit sanft hemmender Geste legte Alix die Hand auf Azarows Arm. »Bist du sicher, dass Zorn seine Magie auch für dich einsetzen wird?«
    »Warum sollte er nicht? Je mehr Geld ich einstreiche, desto größer ist auch sein Gewinn. Natürlich ist auch ein gewisses Risiko dabei. Wir spielen um höchste Einsätze, und man sollte die Würfel nicht in die Hand nehmen, wenn man nicht den Mut hat zu verlieren. Doch ich bin zuversichtlich, dass Zorns Vorhaben uns allen einen satten Profit einbringt. Das spüre ich in den Eingeweiden.«
    Alix bezweifelte das. Ihrer Meinung nach waren Azarows Eingeweide randvoll mit dem sagenhaft guten Essen und Wein des Connaught-Hotels gefüllt. Wenn er da irgendetwas spürte, dann höchstens seine Verdauung. Was seinen Verstand anging, so konnte er als Russe viel Alkohol vertragen, doch sein Urteilsvermögen schien nicht so scharf zu sein wie gewohnt. Im Gegenteil, je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie zu dem Schluss, dass nicht Orwell ihren früherenOpfern glich, sondern sie selbst. Er war hier der Verführer. Und er schien erfolgreich zu sein.
    Am nächsten Morgen rief sie das Connaught an und stellte fest, dass das Hotel tausendzweihundert Pfund für den Sommelierstisch berechnet hatte, ohne die Weine, die sicherlich auch mehr kosteten als das Übliche. Natürlich war solch eine Ausgabe geringfügig verglichen mit der Summe, die Orwell für Zorn zu beschaffen hoffte. Doch Alix hatte noch keinen Reichen erlebt, der nicht auf seine Ausgaben achtete. Malachi Zorn war nicht für ausschweifenden Lebensstil bekannt. Wenn er für andere solche Extravaganzen bezahlte, dann musste er dafür einen Grund haben. Und Alix war keineswegs sicher, dass der Grund so redlich war, wie Azarow annahm.
    Ihr Eindruck wurde noch verstärkt, als sie mit Azarow in Zorns Villa in Italien zu Gast war.

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