Samuel Carver 05 - Collapse
jedem, der beim pakistanischen Geheimdienst war. Aber er ist uns gestern aufgefallen, weil er mit Malachi Zorn, dem amerikanischen Finanzmakler zusammenarbeitet, den unser Expremierminister jetzt –«
»Ich weiß, wer Malachi Zorn ist«, schnauzte Grantham. »Was macht dieser Razzaq für ihn?«
»Leitet dessen privaten Sicherheitsdienst, der offenbar ziemlich umfangreich ist. Ich meine, der macht nicht bloß Personenschutz. Zorn hat vielmehr ein eigenes Spionagenetz.«
»Das dachte ich mir. Was tat Razzaq auf Mykonos?«
»Tja, darüber wissen wir noch nichts, Sir. Er ist gestern Morgen mit einem privaten Hubschrauber gekommen, und seinem Telefonverkehr nach zu urteilen hat er mit etlichen Leuten von dieser Produktionsfirma gesprochen, die das Chaos in dem Restaurant veranstaltet hat.«
»Hat Zorn Anteile an irgendwelchen Medienfirmen oder Fernsehsendern?«
»Soweit wir sehen, nicht, Sir, nein.«
Grantham stand auf, ging nach unten, wo er sich einen starken Kaffee kochte, und rief zwei Leute an, bevor er sich anzog. Als Ersten Piers Nainby-Martin, den er anwies, die Ermittlung gegen Zorn zu verstärken und dem Leben und Treiben Ahmad Razzaqs besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Der zweite Anruf galt Samuel Carver.
»Hier Grantham. Ich will Sie sprechen.«
»Warum?« Das war mehr träges Brummen als artikulierte Aussprache. Carver konnte noch nicht lange wach sein.
»Wegen Mykonos. Ich frage mich, warum Sie aus dem Restaurant weggerannt sind. Und es gibt einen Pakistaner, dem Sie vielleicht begegnet sind …«
Es war still in der Leitung. Als Carver schließlich darauf einging, klang er vollkommen wach und bestimmt. »Ich nehme an, Sie sprechen auf einer verschlüsselten Leitung?«
»Natürlich.«
»Gut, dann … Können Sie die Sechs-Uhr-fünfundvierzig-Maschine von Heathrow nehmen?«
»Ja.«
»Dann treffen wir uns um zehn am Rousseau-Denkmal. Es steht auf der Insel auf halbem Weg über die Pont des Bergues. Und, Grantham …«
»Ja?«
»Erzählen Sie mir nicht, Sie haben all die Jahre hinterm Schreibtisch auf dem Arsch gesessen und vergessen, wie man sich im Außendienst verhält.«
»Ist Ihnen klar, dass Sie mit dem Kopf des Secret Intelligence Service sprechen …«
»Genau deswegen mache ich mir Sorgen.«
»Sie können mich mal kreuzweise, Carver. Ich werde da sein. Und ohne dass mir einer gefolgt ist.«
»Dann gibt es ein Treffen.«
»Wie in den alten Zeiten …«
Grantham legte auf. Ihn und Carver verband eine starke gegenseitige Abneigung mit einem Spritzer widerwilligen Respekts. Keiner hatte Angst, dem anderen genau das zu sagen, was er dachte. Und bisher war das die Grundlage eines ungewöhnlichen, höchst inoffiziellen, aber einträglichen Arbeitsverhältnisses gewesen.
Er fuhr zum Flughafen und kaufte das Ticket privat. Als er auf sein Frühstück schaute, das ihm während des Fluges serviert wurde, bemerkte er überrascht, dass er lächelte. Seine Arbeit bestand inzwischen nur noch aus Politik, einer endlosen Reihe von Besprechungen, Ausschusssitzungen, Gesprächen mit Ministern. Es tat gut, wieder mal Außendienstarbeit zu machen. Das war wie ein Tag Urlaub.
13
Genfer Altstadt
Carver stieg auf das Dach seines Hauses und sah sich um. Die Altstadt von Genf, die auf eine vorchristliche römische Siedlung zurückging, hatte einmal eine Stadtmauer gehabt, die Feinde abhielt, jedoch auch die Bewohner Genfs einpferchte. Da Bauplätze teuer waren und man nicht außerhalb der Mauer wohnen wollte, baute man hohe Häuser mit vielen Wohnungen und Werkstätten und so dicht beieinander wie möglich. Dadurch konnte Carver leicht über die Dächer der Nachbarhäuser zum Ende des Blocks laufen. Von dort stieg er zu einer Straße hinunter, die im rechten Winkel zu seiner verlief und von jemandem, der sein Haus beobachtete, nicht zu sehen war.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihm niemand folgte, ging er zur Rue de la Corraterie und bestieg den Bus, der über die Pont Bel-Air ins moderne Stadtzentrum fuhr. Nach ein paar Häuserblocks verließ er den Bus, überquerte die Straße und stieg in die Linie 9 ein, die via Pont du Mont Blanc, der letzten Brücke vor dem Genfer See, in der anderen Richtung über die Rhône fuhr. Er setzte sich mit Absicht auf die rechte Seite des Busses. Während er über die Brücke rollte, holte Carver ein kleines Fernglas hervor und schaute über den Streifen Wasser zur Rousseau-Insel hinüber. Da stand das Bronzedenkmal des großen Philosophen auf seinem
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