Samuel Koch - Zwei Leben
nun beim besten Willen nicht war. Richtig komisch wurde es, als er versuchte, meine Konzentration für die anstehenden Wettübungen mittels merkwürdiger fernöstlicher Meditationstechniken zu erhöhen. Ich war irritiert und versuchte, ihm klarzumachen, dass ich eigentlich lieber allein arbeiten würde.
SchlieÃlich distanzierte ich mich von ihm â er war mir einfach zu âFeng-Shuiâ-mäÃig drauf. Allerdings hatte ich ihm das vielleicht zu spät klargemacht. Auch mein Stelzen-Kollege Marco und mein Vater hatten mir früh zu verstehen gegeben, dass sie mit dem Mann nicht unbedingt zusammenarbeiten würden.
Während der Wettanbahnung hatte die Zeit nicht stillgestanden. Ich war ja mittlerweile an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover angenommen worden. Das Studium begann am 1. Oktober 2010. Die Ligasaison im Turnen hatte begonnen und ich fuhr einige Male zu Wettkämpfen nach Hause. Zum Schlafen kam ich nur selten. Ich war extrem viel unterwegs, besuchte Freunde, absolvierte mein Turntraining, schmiedete Pläne.
Die Unsicherheit über meine Zukunft, die ich früher verspürt hatte, war verflogen. Die Ausbildung in einem der vielseitigsten Berufe, den ich mir vorstellen konnte, lag vor mir. Alles, was ich bisher kennengelernt hatte, begeisterte mich für diesen Weg. Vielleicht war die Schauspielerei nichts fürs Leben, aber für den Augenblick schien sie mir die denkbar beste Lebensschule, die individuellste Ausbildung, für die ich groÃe Leidenschaft empfand. Ich hatte Spaà daran, kreativ zu sein, mit meinem Körper zu arbeiten und in verschiedene Rollen zu schlüpfen, was mir entgegenkam, da ich mich ja nie entscheiden konnte. Und mir gefiel es, mal allein, mal mit meinen Kommilitonen zu improvisieren; auf sie einzugehen, auf einer Bühne zu stehen, ganz in einer Rolle aufzugehen und im besten Fall Menschen zum Lachen und Nachdenken zu bringen.
Ich fühlte mich endlich angekommen und startklar. Alles sah danach aus, als ob das Jahr 2010 zum glücklichsten meines Lebens werden wollte.
Es wird konkreter
Im Sommer 2010 kam der erste persönliche Kontakt zum ZDF und der Redaktion von âWetten, dass..?â zustande. Ich war immer noch nicht so richtig überzeugt von der ganzen Sache, aber andererseits dachte ich mir auch: Warum nicht? Wir begannen also, über mögliche Szenarien zu sprechen.
Der erste Vorschlag der Redaktion: Sie fanden die Stelzen-Wette spektakulär und wollten sie am liebsten bei der aufsehenerregenden Live-Ãbertragung aus Mallorca zu Beginn der Sommerpause präsentieren. Zu diesem Zeitpunkt allerdings wäre ich definitiv noch nicht so weit gewesen. Die Nummer mussten wir erst noch mehr üben, damit sie wirklich saÃ. So bat ich um Verlegung auf einen späteren Termin. Kein Problem für das ZDF.
Wir einigten uns auf den groben Ablauf, der dann auch am 4. Dezember 2010 in Düsseldorf auf die Bühne gebracht wurde: Ich würde versuchen, fünf fahrende Autos innerhalb von vier Minuten mit einem Salto zu überspringen. Mindestens drei davon musste ich fehlerfrei packen.
Meine Freunde und ich fanden uns zusammen, wann immer wir Zeit erübrigen konnten, und trainierten die Sprünge über unterschiedliche Autos. Wir übten dabei mit den Modellen, die wir nun mal im Alltag zur Verfügung hatten.
Um die Verletzungsgefahr zu minimieren, polsterten wir die Fahrzeuge beim Training auf der Motorhaube, auf dem Dach und der Kofferraumhaube mit dickem Schaumstoff. Einen ganzen Schwung alter Matratzen und Turnmatten hatte ich extra für diesen Zweck gehortet. Mit Spanngurten wurden diese Matten auf den Autos befestigt â man kann ja nie wissen.
Immer und immer wieder feilten wir am Ablauf des Sprungs, an der Koordination von Fahrer und Springer, an der richtigen Geschwindigkeit. Für das ZDF und dessen Planungstruppe erstellte ich eine minutiöse Ablaufskizze, aus der die Streckenverteilung, die Anlaufdistanzen und die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge hervorgingen.
Unser Training perfektionierte sich. In den Monaten der Vorbereitung absolvierte ich Hunderte von Ãbungssprüngen â auÃer ein paar Beulen und blauen Flecken holte ich mir keine Blessuren. Nichts.
SchlieÃlich sah mein Vater zum ersten Mal ein Video von unserem Training. Er sagte zu meiner Mutter: âAlso, wenn Samuel das bei ,Wetten, dass..?â machen will, schaue ich
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